Dienstag, 9. August 2016

Noch ein Kleiner Abschnitt aus dem NFB Book

Behandlung oder Training
In den meisten Fällen bedeutet eine medizinische Behandlung für den Patienten Passivität. Eine medikamentöse Behdnlung oder ein chirurgischer Eingriff sind Beispiele für eine passive Haltung des Patienten. Training bedeutet lernen und ist ein aktiver Prozess, der einer Motivation des Patienten bedarf und einer Wiederholung der Übungen.


Was kann beim Biofeedbacktraining messen werden?
In vielen Biofeedbackformen messen wir Funktionen des autonomen (symathisches und parasymphatisches) Nervensystem. Mit autonom ist etwas ähnliches wie automatisch gemeint. Vor einigen Jahrzehnten dachten westliche Wissenschaftler, dass dieser Teil des Nervensystems, der innere Organe wie Herz, Lunge, das gastrointensinal System, die Blase und die Gefäße steuert, nicht unter der Kontrolle des Bewusstseins stehe. Andererseits hatte man in Indien und China die Steuerung dieser Organe seit tausenden Jahren praktiziert. Wie einer der griechischen Philosophen sagte: "Es gibt nichts Neues unter der Sonne". Wir haben beim Biofeedback diese klassischen Methoden durch das Hinzufügen elektronischer Messgeräte leichter erlernbar gemacht.

Die westliche Wissenschaft machte einen großen Sprung vorwärts, als man auch zu erkennen begann, dass der Mensch in der Lage ist, die Steuerung vieler Prozesse der eigenen Physiologie unter bewusste Kontrolle zu bringen. Es wurde deutlich, dass wir in der Lage sind, biologische Funktionen, die vom autonomen Nervensystem gesteuert werden, wie die Hauttemperatur, elektrodermale Reaktionen (Schwitzen), den Herzschlag und die Koppelung zwischen Herzschlag und Atmung, die Respiratorische Sinus Arrhythmie (RSA), steuern können. Zusätzlich benutzen wir den Begriff Biofeedback auch beim Erlernen der bewussten Steuerung von Muskelanspannung (EMG) Wie man jede dieser physiologischen Funktionen bewusst und sie der Selbstregulation zugänglich macht, wird in einem späteren Kapitel abgehandelt.


Neurofeedback
Beim Neurofeedback messen wir Frequenz und Amplitude verschiedener Hirnwellen. Diese werden mittels kleiner Elektroden auf der Hautoberfläche gemessen. Um diese Messung präziser zu machen benutzen wir eine hochleitfähige Emulsion. Die Elektrode oder die Elektroden misst das Summenpotential der elektrischen Aktivität von Neuronen (Nervenzellen) des Gehirns. Diese Messung wird Elektroenzephalogramm (EEG) genannt. Elektro, weil wir elektrische Aktivität messen (das Spannungsgefälle zwischen zwei Elektroden), Enzephalo, bezieht sich auf das Gehirn und Gramm auf das Aufschreiben des Messergebnisses, wie es bei älteren EEG Messgeräten mittels Stiften erfolgte. Moderne Geräte zeigen die Hirnwellenaktivität auf einem Computerbildschirm. Das Roh EEG zeigt die Morphologie der Wellen, Amplitude, wie hoch die Wellen verlaufen und Frequenz (Wie viele Wellen in der Sekunde verzeichnet werden) Wellen mit unterschiedlicher Frequenz erscheinen zusammen, und oftmals so, dass schnelle Wellen auf langsame Wellen aufgesetzt sind. Unterschiedliche EEG Muster korrespondieren mit unterschiedlichen Bewusstseinszuständen. Beispielsweise gibt es deutlich unterscheidbare Hirnwellenmuster zwischen den Zuständen des Schlafs und denen des Wachens, zwischen denen der Konzentration und denen des Arbeitsbewusstsein, zwischen denen impulsiver, hyperaktiver Zustände und Zuständen der Ruhe und der Reflexion usw.
Der Begriff quantitatives EEG (QEEG) bedeutet, dass das EEG nicht nur aufgezeichnet, sondern auch ausgewertet wird, das heißt; die Aktivität verschiedener Frequenzen, sagen wir 4 Hz oder vordefinierter Frequenzbände, sagen wir 4-8 Hz wird gemessen und quantifiziert. Die elektrische Aktivität wird entweder als Amplitude in Microvolt (mV) oder Millivolt (MV) oder als Power, gemessen in Picowatt (PW) angegeben. Das Roh EEG zeigt Gehirnwellen, Amplituden und Wellenformen im zeitlichen Verlauf.

Das QEEG benutzt Algorithmen die das Roh EEG umwandeln in auswertbare Darstellungen verschiedener Frequenzanteile, die es dem Kliniker ermöglichen, Abweichungen von normaler Hirnaktivität zu erkennen. Ein einfaches QEEG kann man mir drei Ableitungen erstellen. Man benötigt eine Plus Elektrode, eine Negativ Elektrode und eine für den "Grund". In modernen Geräten gibt es keine elektrische Leitung, die dem klassischen elektrischen Grund entspricht. Gemeint ist eine Schaltung, die die gute Qualität der Messung garantiert.

Das EEG Instrument (Elektroenzephalograph) misst die Potentialdifferenz zwischen der Plus und der Minus Elektrode.  Die positive Elektrode nennt man die aktive Elektrode. Sie wird gewöhnlicher Weise über der Stelle angelegt, die man zu messen wünscht. Die Minuselektrode wird Referenzelektrode genannt. Sie wird gewöhnlicher Weise über einer elektrisch möglichst inaktiven Region platziert, etwa am Ohrläppchen oder der Nasenwurzel. Diese Art der Messung wird unipolar genannt. Es ist auch möglich, die Potentialdifferenz zwischen zwei aktiven Elektroden zu messen, die beide auf der Kopfoberfläche befestigt werden. Diese bipolare Anordnung zeichnet sich durch erheblich kleinere Amplituden aus .
Die Potentialdifferenz zwischen zwei aktiven Elektroden ist auch abhängig von der Phase der gemessenen und zu vergleichenden Wellenformen. Stellen sie sich vor, sie wären im Begriff, zwei Wellen, die eine Frequenz von 9 Hz haben. Wenn beide Wellen in Phse sind, also zur gleichen Zeit ansteigen, und eine dieser Wellen gemessen wird mit + 4 µV, die andere aber mit +6µV, würde die Differenz 2µV betragen. Wenn die Wellen jedoch gegenläufig sind, die eine also ansteigt, während die andere absinkt, würde die Differenz zwischen beiden im selben Fall 10µV betragen Das Problem der bipolaren Messung besteht also darin, richtig zu interpretieren, ob eine gemessene Amplitudenveränderung aus der Differenz der Amplituden oder aus der unterschiedlichen Phase beider Wellen stammt, aber Lubar ist der Meinung, auf diese Art und Weise besitze das mittels bipolarer Anordnung der Elektroden trainierte Gehirn mehr Möglichkeiten eine gestellte Aufgabe zu bewältigen. (Diese Aufgabe könnte lauten: reduziere Theta, erhöhe SMR - den sensomotorischen Rhythmus)

Auf die gleiche Art und Weise können erheblich mehr Elektrodenpaare an unterschiedlichen Messpunkten auf dem Kopf gemessen und ausgewertet werden. Normalerweise werden 19 Elektroden über aktiven Hirnregionen benutzt, mittels eines so genannten Full Cap Assessments. Dieser Ausdruck stammt aus dem amerikanischen und meint, dass zur Messung eine leichte, geschlossene Mütze mit eingearbeiteten Elektrode benutzt wird, die ein wenig wie eine Badekappe aussieht. Die solcherart gemessenen Daten können auf die unterschiedlichste Art und Weise ausgewertet werden. Der Anwender kann Power, Relative Power oder Anteil der Power verschiedener Bänder verglichen mit der totalen Power aller Bänder betrachten, aber auch Kohärenz, Komodulation, und Phase. Alle diese Begriffe werden noch erläutert werden. Das Messergebnis kann auch mit Normwerten aus einer Datenbank verglichen werden, wobei verschiedene Aussagen getroffen werden können über das Aktivitätsmuster verschiedener Hirnregionen, Verlangsamungen frontal, Überaktivierungen, und vielen anderen Auswertungen, die möglich sind. Diese Möglichkeiten werden in den Ausführuingen zu den Eingangsmessungen im zweiten Kapitel besprochen. Es gibt auch Anwender, die diese Informationen des EEG noch ausweiten wollen durch den Einsatz von mehr Messelektroden, das können über 200 Messpunkte sein.


Eine weitere, experimentale Methode die elektrische Aktivität des Gehirns zu beschreiben wird LORETA genannt (low resolution electro-magnetic tomography assessment). LORETA ist im Grunde ein mathematisches Verfahren, das es ermöglicht, die Oberflächenaktivität des Gehirns in Verbindung mit Arealen in größerer Tiefe des Gehirns zu bringen, die mit diesen in Verbindung stehen. Das Verfahren wurde erstmals von Roberto Pasqual-Marquis in Zürich entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt schienen die solcherart gefundenen Daten sehr gut mit den Ergebnisse aus der Magnettomographie zusammen zu passen. Wie auch immer: LORETA ist sehr anfällig für Artefakte.
Wir sind heutzutage in der Lage Informationen, die mittels LORETA erstellt werden zu benutzen, um Neurofeedbacktherapien gezielter zu gestalten. Ein Kapitel dieses Buches (Kapitel VII) wird das LORETA Z Score Neurofeedbackverfahren beschreiben.

Anzumerken ist, dass MRI oder PET Messungen die präziseste Möglichkeit darstellen, Hirnaktivität im zeitlichen Verlauf darzustellen, auch wenn eventuell die räumliche Komponente fehlt. Die Darstellung der Hirnaktivität im zeitlichen Verlauf ist mit diesen Verfahren präzise darstellbar. Das EEG hat aber den Vorteil keine Kontrastmittel oder andere Interventionen zu erfordern, während bei einer PET (positron emission tomography) Messung radioaktiv angereichertes Material injiziert wird. Positronen werden abgegeben und kollidieren mit Elektronen, das Ergebnis sind zwei Photonen, die vom Scanner erfasst werden, der deren Quelle messtechnisch erkennt. Die metabolische Aktivität der Hirnregionen zeigt sich auch in einem Anstieg des Sauerstoffbedarfs dementsprechend können Regionen mit erhöhtem oder erniedrigtem Aktivitätsgrad durch den unterschiedlichen Sauerstoffverbrauch im SPECT verfahren gemessen werden. Diese hochtechnisierten Verfahren sind wissenschaftlich allgemein anerkannt und die EEG Daten ergänzen deren Messergebisse gut. Bei Aufmerksamkeitsstörungen zeigt sich beispielsweise oft eine EEG Verlangsamung in zentralen und frontalen Hirnregionen, aber auch in einer Abnahme des Glukosestoffwechsels gemessen mittels des PET Verfahrens und einer Abnahme der Blutzufuhr gemessen mittels des SPECT Verfahrens eben in diesen Regionen. 

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