Dienstag, 9. August 2016

Vorwort zur zweiten Fassung des Neurofeedback Buches, Thompson und Thompson

Vorbemerkung zur zweiten Fassung des Neurofeedbackbuches

©ADD Centre LTD.: Biofeedback Institute Press 2003, Dr. THOMPSON 905-803-8066 Canada

Seit dem Erscheinen des ersten Neurofeedback Buches  vor einem Jahrzehnt wurden beeindruckende Fortschritte im Feld der angewandten Neurowissenschaft und der Computertechnologie gemacht. Obwohl eine ganze Reihe von hervorragenden Büchern in der Zwischenzeit zu diesem Thema veröffentlicht wurden, - die meisten von verschiedenen Experten, die ihr Fachwissen auf speziellen Gebieten des Neurofeedback Feldes mitteilten- existiert weiterhin kein anderes Buch, das alles Wissen auf diesem Fachgebiet ähnlich bündelt und damit einen Überblick über alle relevanten Informationen gestattet, die es einem Anwender ermöglichen, ein effektives Neurofeedbacktraining zu gestalten. Es gab eine große Nachfrage nach einer zweiten Auflage die sowohl weiterhin die Grundlagen beinhalten sollte, die aber ergänzt wäre durch weitergehende Informationen über die Fortschritte sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Arbeit und in der Forschung unseres Fachgebietes, des Neurofeedback. Diese zweite Ausgabe folgt der geistigen Zielsetzung der ersten Ausgabe indem sie das zur klinischen Praxis notwendige Wissen in einem Format präsentiert, das Menschen, die gerade damit beginnen, sich mit Neurofeedback zu befassen, ebenso dienlich ist, wie dem erfahrenen Anwender von Biofeedback/Neurofeedback. Das bekannte Wissen über Neuroanatomie, Entstehung des EEG, Elektronik und die Instrumente die das Messen von psychophysiologischen Daten erlauben,  ist immer noch gültig, es gab aber neue ergänzende Forschungen und Fortschritte in der Theorie die neue oder tiefer schürfendes Wissen über die funktionale Zusammenarbeit der verschiedenen Hirnregionen lieferten.


Weitere Fortschritte gab es im theoretischen Verständnis funktionaler Zusammenhänge, die zu neuen oder verbesserten Behandlungstechniken führten. Es gab auch deutliche technische Fortschritte im Feld des Neurofeedback. Das Feld ist zu umfassend, um es in seiner ganzen Breite festzuhalten und wir waren teilweise gezwungen Themen, die nicht wirklich bedeutsam oder notwendig sind, um ein gutes Neurofeedback- oder Biofeedback Training auszuarbeiten, fortzulassen oder den Leser auf ergänzende Informationen zu verweisen

Zur klinische Vorgehensweise gibt es im Feld unterschiedliche Meinungen. Wir haben  entschieden, uns auf Darstellung der Trainingsmethoden zu beschränken, über deren Wirksamkeit Ergebnisse wissenschaftlicher Studien vorliegen. Andere technische Möglichkeiten und andere Trainingsmethoden mögen wirksam sein und bei Einzelfällen sinnvoll, doch sollte abgewartet werden, bis ausreichende Forschu8ngsergebnisse vorliegen um das Kriterium der wissenschaftlich belegten Wirksamkeit zu erfüllen. Darin folgen wir den Grundsätzen der BCIA, (Biofeedback Certification International Alliance)
Seitdem wir BCIA zertifizierte Neurofeedbackkurse anbieten, kommt es fast zu einer Deckungsgleichheit zwischen dem dort geforderten Wissen und dem hier präsentierten, wenngleich mit einer etwas veränderten Reihenfolge und mit einigen Ergänzungen. Für den Fall, das Textstellen weit mehr als Grundwissen verlangen, aber trotzdem für manchen Leser interessant sein könnten, haben wir diese Textstelle kursiv gekennzeichnet.

Das originale Lehrbuch präsentiert das Basiswissen, das man zum praktischen Anwenden benötigt, inklusive Neurofeedback und generellem Biofeedback, ergänzt durch ein Training in metakognitiven Strategien. Die metakognitive Komponente bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil unseres Neurofeedbacktrainings. Es hat die Funktion in jede Trainingssitzung eine zielorientierte Aufgabe einzufügen. Beispiele solcher Aufgaben werden im Kapitel über das Training metakognitiver Strategien beschrieben, das gegenüber der ersten Auflage nicht verändert wurde Die grundsätzlichen Beschreibungen der Entstehung des EEG und der elektronischen Hilfsmittel, mit denen das EEG gemessen wird, wurden beibehalten.
Seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe wuchs aber das Wissen über neuronale Netzwerke und die funktionale Zusammenarbeit verschiedener Hirnareale erheblich. Dementsprechend wurde das Kapitel über funktionale Neuroanatomie erheblich erweitert. Es wird im Zusammenhang mit dem internationalen 10-20 System der Elektrodenplatzierung und der Funktion der Brodman Areale diskutiert werden. Mit der immer alltäglicher werdenden Anwendung der Low Resolution Electromagnetic Tomography (LORETA) bei der Suche nach Generatoren bestimmter Auffälligkeiten, während der Erstellung eines 20 Kanal QEEG, wurde dieses Thema immer bedeutender für das Neurofeedback. Auch das Thema Assessment (oder Beurteilung des EEG vor Beginn einer Sitzung/Therapie), wurde ergänzt. Diese Ergänzungen betreffen den Einsatz von LORETA Analysen, ERPs (ereigniskorrelierter Potentiale, event related Potentials) und der Herz Raten Variabilität (HRV), die inzwischen ein integraler Bestandteil der Beurteilung komplexer Probleme von Klienten geworden sind, die beispielsweise von Kopfverletzungen betroffen waren.
Erwähnt werden muss die Anwendung verschiedener neuer Behandlungstechniken wie das Z-Score Neurofeedback, das auch als Training mittels vieler Oberflächenelektroden durchgeführt werden kann und dem LORETA Z Score Neurofeedback, einem Training, das ein 19 Kanal EEG Training mit der gleichzeitigen LORETA Analyse der Generatoren, kombiniert. Das Training wird simultan anhand der Normwerte aus der Datenbank angepasst und geleitet. Auch Methoden wie das tDCS (transcranial direct current stimulation) und das passive (pIR) HEG wurden hinzugefügt, weil beide Methoden inzwischen durch Forschungsergebnisse in der Wirksamkeit bestätigt wurden. Wir beschreiben wie diese Techniken möglicherweise in eine klinische Arbeit eingebunden werden können. Dabei versuchen wir uns an der Beschreibung, wie eine sorgfältige, gründliche Befundung jedes Patienten zu einem multimodalen Trainingsansatz führen kann. Die Beschreibung dieser Techniken wird durch klinische Beispiele ergänzt, die die Anwendungsmöglichkeiten im Originaltext noch einmal ergänzen. Dementsprechend hat das Neurofeedback Buch einen beträchtlichen Umfang an neuen Informationen, die es dem Anwender erlauben, auf dem Laufenden zu bleiben.

Die Autoren versuchen, ebenso wie in der ersten Ausgabe, jedes Kapitel so einfach wie möglich zu erklären. Komplexe Theorien, Formulierungen oder gar mathematische Erörterungen werden nicht angestrebt. Wer noch mehr in die Tiefe gehen will, kann das tun.

Das Neurofeedback Buch der zweiten Ausgabe enthält folgende Themen: Die Brodman Areale und deren Funktionen, neuronale Netzwerke: Kortex-Basale, Ganglien-Thalamo-Kortex Loops (Schleifen) die den neuonalen Netzwerken zugrunde liegen, das autonome Nervensystem soweit es die Herz Raten Variabilität betrifft. Verbindungen zwischen Amygdala, Hypothalamus zum Stammhirn und deren Beziehung zu efferenten und afferenten Nervenbahnen zum Herzen.
Zwischenbemerkung: Einige Themen werden im Buch mehrfach angesprochen. Das ist teilweise aus dem Grund geschehen, weil Wiederholungen sich besser einprägen. Teilweise war der Grund aber auch, dem Leser zu ersparen, immer wieder zu bereits gelesenen Kapitel zurück blättern zu müssen, um sich daran zu erinnern, was er in einem neuen Kapitel an bereits gelesenen Informationen benötigt, um einer Diskussion zu folgen. Der Leser wird bemerken, dass wir die Begriffe Klient und Patient oftmals wechseln. Klient wird in Nordamerika  verwendet, dieser Begriff ist im klinischen Alltag Europas oder in Asien aber ungebräuchlich. Klient ist der umfassendere Begriff, weil er auch Menschen umfasst, die keine klinische Diagnose gestellt bekommen, sondern die ein Training beginnen, um ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Man hätte vielleicht den Begriff Schüler verwenden sollen, weil die angewendeten Techniken zum Erlernen der Selbststeuerung nach einem Trainer und Lehrer verlangen. Unser Ziel ist das Lernen und das beinhaltet Formung oder Coaching des Klienten. Tatsächlich haben die Autoren immer den Wunsch verspürt Neurofeedback und Biofeedback als Bestandteil des Unterrichtes an Schulen zu sehen..

Zusammenfassung
Unser Feld der kombinierten Anwendung von Neurofeedback und Biofeedback basiert auf den Tatsachen der funktionalen Neuroanatomie und Neurophysiologie. Quantitative EEGs (QEEG) entweder als ein Kanal oder Mehrkanalanwendung, haben den Sinn, mittels schneller Computer und Datenbanken Abweichungen des EEG von Normdaten in Statistiken oder Graphiken sichtbar zu machen. Low Resolution electromagnetic tomography (LORETA) erlaubt dem Anwender die Quellen dieser Abweichungen im Kortex auszumachen. Diese Daten können mit dem Wissen des Anwenders über die Funktionen der unterschiedlichen Brodman Areale und deren Beziehung zu neuronalen Netzwerken (Thompson et.al, 2011,2015) dazu führen, diesem zu ermöglichen, zu erkennen, ob eine bestimmte, abweichende Frequenz mit den vom Patienten beschriebenen Symptomen zusammenhängt. Damit helfen diese Daten dem Anwender zu entscheiden, ob eine Abweichung mit einem kognitiven, motorischen, sensorischen oder emotionalen Problem verbunden ist, oder ob es ein Anzeichen für eine besondere Stärke oder Fähigkeit des Patienten ist, die man sicher nicht wegtrainieren sollte. Das QEEG kann auch zum Training benutzt werden, indem es ein visuelles, auditives oder taktiles Feedback gibt, um den Klienten darüber in Kenntnis zu setzen, inwieweit er seine Bemühungen in die richtige Richtung lenkt, die sich im EEG als eine Annäherung an ein optimaleres Level entspricht. Bitte behalten sie im Hinterkopf, dass der Begriff "Normalität" mit Vorsicht zu gebrauchen ist. Das Ziel, ein EEG zu normalisieren, kann in Frage gestellt werden. Was für den einen eine optimale Veränderung ist, kann für einen anderen eher ungünstig sein. Eine einfaches Beispiel: Einen Klienten, dessen gesamt IQ bei 85 liegt über ein EEG Training zu Durchschnittswerten zu führen, dürfte erfolglos sein. es wäre aber auch ein ziemlich verrücktes Ziel, für einen Menschen mit einem IQ von 130.

Das Ziel eines kombinierten Neurofeedback- und Herz Raten Variabilitätstrainings ist es, das zentrale Nervensystem dahingehend zu beeinflussen, dass der Klient den Weg zu seiner optimalen Leistungsfähigkeit findet. Es ist wichtig, dass der Anwender die neuroanatomischen Zusammenhänge wie das bewerkstelligt werden kann, kennt. Aus diesem Grund legen wir in dieser Ausgabe gesteigerten Wert auf die Darstellung der funktionalen Neuroanatomie.
Der Leser wird bemerken, dass wir in unserer Beschreibung eines guten Trainings Neurofeedback nicht als Stand Alone Technik preisen.  Wir verstehen, dass die Forschung versuchen muss, die Wirksamkeit des Neurofeedback ohne den Zusatz anderer therapeutischer Maßnahmen zu erforschen, aber wir sind der Meinung, auch in der Forschung sollte registriert werden, dass man in Studien nicht das Neurofeedback erfasst, wie es gewöhnlicherweise in der Praxis angewendet wird. In der Praxis wird es immer kombiniert mit der Arbeit eines guten Therapeuten, Lehrers oder Coachs, der spezielle metakognitive Aufgaben und Strategien einbindet, plus anderer Biofeedbacktechniken wie der Herz-Raten Variabilität. Es gibt auch andere Faktoren, die Berücksichtigung finden wie Diät, Schlaf und diverse Übungen. Die positiven und negativen Ergebnisse bestimmter wissenschaftlicher Studien zu diesem Thema müssen auch in diesem Kontext betrachtet werden 
Andererseits gibt es unzählige Fallstudien die beides berücksichtigen, subjektive (Fragebögen) und objektive Daten (standardisierten Tests wie dem WISC oder WAIS) und die damit die Wirkung der kombinierten Anwendung den Klienten besser nahebringen. Wir als Anwender sollten systematisch Daten sammeln und diese veröffentlichen, wenn sie uns zur Verfügung stehen.

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