Vorbemerkung
zur zweiten Fassung des Neurofeedbackbuches
Seit dem Erscheinen des
ersten Neurofeedback Buches vor einem
Jahrzehnt wurden beeindruckende Fortschritte im Feld der angewandten
Neurowissenschaft und der Computertechnologie gemacht. Obwohl eine ganze Reihe
von hervorragenden Büchern in der Zwischenzeit zu diesem Thema veröffentlicht
wurden, - die meisten von verschiedenen Experten, die ihr Fachwissen auf
speziellen Gebieten des Neurofeedback Feldes mitteilten- existiert weiterhin
kein anderes Buch, das alles Wissen auf diesem Fachgebiet ähnlich bündelt und
damit einen Überblick über alle relevanten Informationen gestattet, der es
erlaubt, ein effektives Neurofeedbacktraining zu gestalten. Es gab eine große
Nachfrage nach einer zweiten Auflage die sowohl weiterhin die Grundlagen
beinhalten sollte, die aber ergänzt wäre durch weitergehende Informationen über
die Fortschritte sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Arbeit und
in der Forschung unseres Fachgebietes, des Neurofeedback. Diese zweite Ausgabe
folgt der geistigen Zielsetzung der ersten Ausgabe indem sie das zur klinischen
Praxis notwendige Wissen in einem Format präsentiert, das Menschen, die gerade
damit beginnen, sich mit Neurofeedback zu befassen ebenso dienlich ist, wie dem
erfahrenen Anwender von Biofeedback/Neurofeedback. Das bekannte Wissen über
Neuroanatomie, Entstehung des EEG, Elektronik und die Instrumente die das
Messen von psychophysiologischen Daten erlauben, ist immer noch gültig, es gab aber neue ergänzende
Forschungen und Fortschritte in der Theorie die neue oder tiefer schürfendes
Wissen über die funktionale Zusammenarbeit der verschiedenen Hirnregionen
lieferten.
Weitere Fortschritte gab es
im theoretischen Verständnis funktionaler zusammenhänge, die zu neuen oder
verbesserten Behandlungstechniken führten. Es gab aber auch deutliche
technische Fortschritte im Feld des Neurofeedback. Das Feld ist zu umfassend,
um es in seiner ganzen Breite festzuhalten und wir waren teilweise gezwungen
Themen, die nicht wirklich bedeutsam oder notwendig sind, um ein gutes
Neurofeedback- oder Biofeedback Training auszuarbeiten, fortzulassen oder den
Leser auf ergänzende Informationen zu verweisen
Zur klinische Vorgehensweise
gibt es im Feld unterschiedliche Meinungen. Wir haben entschieden, uns auf Darstellung der
Trainingsmethoden zu beschränken, über deren Wirksamkeit Ergebnisse
wissenschaftlicher Studien vorliegen. Andere technische Möglichkeiten und
andere Trainingsmethoden mögen wirksam sein und bei Einzelfällen sinnvoll, doch
sollte abgewartet werden, bis ausreichende Forschu8ngsergebnisse vorliegen um
das Kriterium der wissenschaftlich belegten Wirksamkeit zu erfüllen. Darin
folgen wir den Grundsätzen der BCIA, (Biofeedback Certification International
Alliance)
Seitdem wir BCIA
zertifizierte Neurofeedbackkurse anbieten, kommt es fast zu einer Deckungsgleichheit
zwischen dem dort geforderten Wissen und dem hier präsentierten, wenngleich mit
einer etwas veränderten Reihenfolge und mit einigen Ergänzungen. Für den Fall,
das Textstellen weit mehr als Grundwissen verlangen, aber trotzdem für manchen
Leser interessant sein könnten, haben wir diese Textstelle kursiv
gekennzeichnet.
Das originale Lehrbuch präsentiert
das Basiswissen, das man zum praktischen Anwenden benötigt, inklusive
Neurofeedback und generellem Biofeedback, ergänzt durch ein Training in metakognitiven
Strategien. Die metakognitive Komponente bleibt auch in Zukunft ein wichtiger
Bestandteil unseres Neurofeedbacktrainings. Es hat die Funktion in jede
Trainingssitzung eine zielorientierte Aufgabe einzufügen. Beispiele solcher
Aufgaben werden im Kapitel über das Training metakognitiver Strategien
beschrieben, das gegenüber der ersten Auflage nicht verändert wurde Die
grundsätzlichen Beschreibungen der Entstehung des EEG und der elektronischen
Hilfsmittel, mit denen das EEG gemessen wird, wurden beibehalten.
Seit dem Erscheinen der
ersten Ausgabe wuchs aber das Wissen über neuronale Netzwerke und die funktionale
Zusammenarbeit verschiedener Hirnareale erheblich. Dementsprechend wurde das
Kapitel über funktionale Neuroanatomie erheblich erweitert. Es wird im
Zusammenhang mit dem internationalen 10-20 System der Elektrodenplatzierung und
der Funktion der Brodman Areale diskutiert werden. Mit der immer alltäglicher
werdenden Anwendung der Low Resolution Electromagnetic Tomography (LORETA) bei
der Suche nach Generatoren bestimmter Auffälligkeiten, während der Erstellung
eines 10 Kanal QEEG, wurde dieses Thema immer bedeutender für das Neurofeedback.
Auch das Thema Assessment (oder Beurteilung des EEG vor Beginn einer
Sitzung/Therapie), wurde ergänzt. Diese Ergänzungen betreffen den Einsatz von
LORETA Analysen, EKPa (Englisch: ERPs )(ereigniskorrelierter Potentiale, event
related Potentials) und der Herz Raten Variabilität (HRV), die inzwischen ein
integraler Bestandteil der Beurteilung komplexer Probleme von Klienten geworden
sind, die beispielsweise von Kopfverletzungen betroffen waren.
Erwähnt werden muss die
Anwendung verschiedener neuer Behandlungstechniken wie das Z-Score
Neurofeedback, das auch als Training mittels vieler Oberflächenelektroden
durchgeführt werden kann und dem LORETA Z Score Neurofeedback, einem Training,
das ein 19 Kanal EEG Training mit der gleichzeitigen LORETA Analyse der
Generatoren, kombiniert wird. Das Training wird simultan anhand der Normwerten
aus der Datenbank (Neuroguide) angepasst und geleitet. Auch Methoden wie das
tDCS (transcranial direct current stimulation) und das passive (pIR) HEG wurden
hinzugefügt, weil beide Methoden inzwischen durch Forschungsergebnisse in der
Wirksamkeit bestätigt wurden. Wir beschreiben wie diese Techniken
möglicherweise in eine klinische Arbeit eingebunden werden können. Dabei
versuchen wir uns an der Beschreibung, wie eine sorgfältige, gründliche
Befundung jedes Patienten zu einem multimodalen Trainingsansatz führen kann. Die
Beschreibung dieser Techniken wird durch klinische Beispiele ergänzt, die die
Anwendungsmöglichkeiten im Originaltext noch einmal ergänzen. Dementsprechend
hat das Neurofeedback Buch einen beträchtlichen Umfang an neuen Informationen,
die es dem Anwender erlauben, auf dem Laufenden zu bleiben.
Die Autoren versuchen,
ebenso wie in der ersten Ausgabe, jedes Kapitel so einfach wie möglich zu
erklären. Komplexe Theorien, Formulierungen oder gar mathematische Erörterungen
werden nicht angestrebt. Wer noch mehr in die Tiefe gehen will, kann das tun.
Das Neurofeedback Buch der
zweiten Ausgabe enthält folgende Themen: Die Brodman Areale und deren
Funktionen, neuronale Netzwerke: Kortex-Basal, Ganglien-Thalamus-Kortex Loops
(Schleifen) die den neuonalen Netzwerken zugrunde liegen, das autonome Nervensystem
soweit es die Herz Raten Variabilität betrifft. Verbindungen zwischen Amygdala,
Hypothalamus zum Stammhirn und deren Beziehung zu efferenten und afferenten
Nervenbahnen zum Herzen.
Zwischenbemerkung:
Einige Themen werden im Buch mehrfach angesprochen. Das ist teilweise aus dem
Grund geschehen, weil Wiederholungen sich besser einprägen. Teilweise war der
Grund aber auch, dem Leser zu ersparen immer wieder zu bereits gelesenen
Kapitel zurück blättern zu müssen, um sich daran zu erinnern, was er in einem
neuen Kapitel an bereits gelesenen Informationen benötigt, um einer Diskussion
zu folgen. Der Leser wird bemerken, dass wir die Begriffe Klient und Patient
oftmals wechseln Klient wird in Nordamerika verwendet, dieser Begriff ist im klinischen
Alltag Europas oder in Asien aber ungebräuchlich. Klient ist der umfassendere
Begriff, weil er auch Menschen umfasst, die keine klinische Diagnose gestellt
bekommen, sondern die ein Training beginnen, um ihre Leistungsfähigkeit zu
verbessern. Man hätte vielleicht den Begriff Schüler verwenden sollen, weil die
angewendeten Techniken zum Erlernen der Selbststeuerung nach einem Trainer und Lehrer
verlangen. Unser Ziel ist das Lernen und das beinhaltet Erziehung des Klienten.
Tatsächlich haben die Autoren immer den Wunsch verspürt Neurofeedback und
Biofeedback als Bestandteil des schulischen Unterrichtes zu sehen..
Zusammenfassung
Unser
Feld der kombinierten Anwendung von Neurofeedback und Biofeedback basiert auf
den Tatsachen der funktionalen Neuroanatomie und Neurophysiologie. Quantitative
EEGs (QEEG) entweder als ein Kanal oder Mehrkanalanwendung, haben den Sinn,
mittels schneller Computer und Datenbanken Abweichungen des EEG von Normdaten
in Statistiken oder Graphiken sichtbar zu machen. Low Resolution
electromagnetic tomography (LORETA) erlaubt dem Anwender die Quellen dieser
Abweichungen im Cortex auszumachen. Diese Daten können mit dem Wissen des
Anwenders über die Funktionen der unterschiedlichen Brodman Areale und deren
Beziehung zu neuronalen Netzwerken (Thompson et.al, 2011,2015) dazu führen,
diesem zu ermöglichen, zu erkennen, ob eine bestimmte, auffallend abweichende
Frequenz mit den vom Patienten beschriebenen Symptomen zusammenhängt. Damit
helfen diese Daten dem Anwender zu entscheiden, ob eine Abweichung mit einem
kognitiven, motorischen, sensorischen oder emotionalen Problem verbunden ist,
oder ob es ein Anzeichen für eine besondere Stärke oder Fähigkeit des Patienten
ist, die man sicher nicht wegtrainieren sollte. Das QEEG kann auch zum Training
benutzt werden, indem es ein visuelles, auditives oder taktiles Feedback gibt,
um den Klienten darüber in Kenntnis zu setzen, inwieweit er seine Bemühungen in
die richtige Richtung lenkt, die sich im EEG als eine Annäherung an ein
optimaleres Level entspricht. Bitte behalten sie im Hinterkopf, dass der
Begriff "Normalität" mit Vorsicht zu gebrauchen ist. Das Ziel, ein
EEG zu normaliseren, kann in Frage gestellt werden. Was für den einen eine
optimale Veränderung ist, kann für einen anderen eher ungünstig sein. Eine
einfaches Beispiel: Einen Klienten, dessen gesamt IQ bei 85 liegt über ein EEG
Training zu Durchschnittswerten zu führen, dürfte erfolglos sein. es wäre aber
auch ein ziemlich verrücktes Ziel, für einen Menschen mit einem IQ von 130.
Das
Ziel eines kombinierten Neurofeedback- und Herz Raten Variabilitätstrainings
ist es, das zentrale Nervensystem dahingehend zu beeinflussen, dass der Klient
den Weg zu seiner optimalen Leistungsfähigkeit findet. Es ist wichtig, dass der
Anwender die neuroanatomischen Zusammenhänge wie das bewerkstelligt werden kann,
kennt. Aus diesem Grund legen wir in dieser Ausgabe gesteigerten Wert auf die
Darstellung der funktionalen Neuroanatomie.
Der Leser wird bemerken, dass wir
in unserer Beschreibung eines guten Trainings Neurofeedback nicht als Stand Alone
Technik preisen. Wir verstehen, dass die
Forschung versuchen muss, die Wirksamkeit des Neurofeedback ohne den Zusatz
anderer therapeutischer oder erzieherischer Maßnahmen zu erforschen, aber wir
sind der Meinung, auch in der Forschung sollte registriert werden, dass man nicht
das Neurofeedback erfasst, wie es gewöhnlicherweise in der Praxis angewendet
wird. In der Praxis wird es immer kombiniert mit der Arbeit eines guten Therapeuten,
Lehrers oder Coachs, der spezielle metakognitive Aufgaben und Strategien
einbindet plus gegebenenfalls andere Biofeedbacktechniken wie die Herz-Raten Variabilität.
Es gibt auch andere Faktoren, die Berücksichtigung finden wie Diät, Schlaf und
diverse Übungen. Die positiven und negativen Ergebnisse bestimmter
wissenschaftlicher Studien zu diesem Thema müssen auch in diesem Kontext
betrachtet werden
Andererseits gibt es unzählige
Fallstudien die beides berücksichtigen, subjektive (Fragebögen und Schul
Report) und objektive Daten (standardisierten Tests wie dem WISC oder WAIS) und
die damit die Wirkung der kombinierten Anwendung den Klienten besser
nahebringen. Wir als Anwender sollten systematisch Daten sammeln und diese
veröffentlichen, wenn sie uns zur Verfügung stehen.
Das Neurofeedback Buch
Michel und Lynda Thompson
Ergänzendes Vorwort zur zweiten Auflage
Veränderungen in den Kapiteln in dieser zweiten
Ausgabe.
Kapitel 2, dieser
zweiten Ausgabe, besteht aus Ergänzungen, und beinhaltet zusätzlich eine
Nonographie der AAPB mit der
Überschrift: Funktionale Neuroanatomie. In diesem Abschnitt findet sich eine Einführung
zum Konzept neuronaler Netzwerke. Im Anschluss werden die Brodman Areale mit
ihren zugehörigen Netzwerken in einer Reihenfolge aufgeführt die die Verbindung
zwischen den zugehörigen Hirnregionen und den entsprechenden neuronalen Netzwerke
die für das Lernen bedeutsam sind erläutert.
Kapitel 4, beinhaltet weitere Informationen darüber wie man eine
Ersteinschätzung des EEG vornimmt. Dieser Abschnitt zeichnet die Gründe, die
uns zu erweiterten Ersteinschätzungen und Behandlungsoptionen veranlassten. Dieser
Abschnitt enthält auch Grafiken die Ergebnisse von Trainingssitzungen und das
Erkennen und Beseitigen von Artefakten dokumentieren; Themen, die in der ersten
Ausgabe nicht ausgiebig genug abgehandelt wurden. In Teilabschnitten werden bekannte
Verfahren mit unseren neuen Möglichkeiten, die dazu dienen, die Treffsicherheit
der Ersteinschätzung deutlich zu erhöhen, verbunden, das sind insbesondere das
LORETA Verfahren und die evozierten Potentiale. Diesen Erörterungen folgt eine
kurze Begriffsbestimmung der Fachtermini, die dem Anwender in Büchern und
Akademischen Aufsätzen begegnen könnten; wie z.B. Phase Shift und Phase Lock,
Chaos Theorie und nonlineare Mathematik sowie die Independent Component
Analysis (ICA)
Kapitel 5 beinhaltet Erweiterungen unserer
Behandlungskonzepte um LORETA, Z-Score NFB, Herz-Raten- Variabilität Training,
tDCS, passives HEG und das SCP Training.
Kapitel 6 wurde um die Diskussion verschiedener Krankheitsbilder
erweitert. Es beinhaltet Hirntraumata, Angststörungen, Asperger Syndrom und
andere zum autistischen Spektrum gehörenden Störungen, aber auch
Aufmerksamkeitsstörungen mit und ohne Hyperaktivität sowie der Einsatz des NFB
zur Leistungssteigerung.
Ergänzungen der zweiten Auflage
zum Stand des Neurofeedback heute und
in Zukunft.
Unser
Verständnis über die Stellung des Neurofeedback in der Neurowissenschaft und darüber, wie es letztendlich wirkt, wächst nur
langsam. Weiterhin gibt es einen Mangel an Anerkennung des Verfahrens und kritische Stimmen aus der
Wissenschaft, teilweise von Menschen, die sich mit dem Thema nicht wirklich
auseinandergesetzt haben. In der Thompson Familie vergleichen wir die Lage
manchmal mit der von Sir Edward Jenners vor 200 Jahren. Jenners Forschungen und
Experimente zum Thema Schutzimpfung gegen Pocken gipfelten in einer Publikation
zum Stand seines Wissens im Jahr 1798. Die Arbeit war sorgfältig
wissenschaftlich ausgearbeitet, wurde aber von den medizinischen Autoritäten
seinen Zeitalters abgelehnt. Die Royal Society, der er angehörte, forderte ihn
auf, die Veröffentlichungen zu diesem Thema zu stoppen, weil diese seine
Reputation gefährdeten, die sich auf gut dokumentierte Beobachtung des Kuckucks
stützten. Ungeachtet der Kritik in England wurde Jenners nach Russland
eingeladen um den Zaren und dessen Familie zu impfen. Erst daraufhin wurde die
Impfung in Kontinental Europa akzeptiert und schließlich auch in Groß
Britannien. Tatsächlich wurde die Pockenschutzimpfung 1853 obligatorisch. Die
Pocken wurden am Ende des 20 Jahrhunderts weltweit endgültig überwunden.
Kapitel 1
Was Neurofeedback
ist und auf welche Grundlagen es sich stützt.
Dieser Abschnitt beinhaltet einen kurzen
Überblick über Definitionen, Lerntheorie, die Entstehung des EEG, Instrumente
und Neuroanatomie. In jedem dieser Abschnitte sollte der Leser ein Grundwissen
mit bringen. Dieses Kapitel soll nur einen kurzen Überblick über das Wissen
geben, das notwendig ist, um mit Neurofeedback zu arbeiten. Es ist wichtig, die
Arbeitsweise des EEG Verstärkers zu kennen und z.B. zu wissen, was Impedanz
ist. Ansonsten sei darauf verwiesen, dass man auch von anderen Anwendern lernen
kann.
Erster
Abschnitt
was ist Neurofeedback
und auf welche Grundlagen stützt es sich.
Was ist Biofeedback im Allgemeinen
und was ist Neurofeedback im Besonderen? Definition, Beschreibung und
Überblick über das Feld des Biofeedback, die Lerntheorie und die Anwendung des
Neurofeedback.
Was ist Biofeedback?
Biofeedback wird ein Verfahren
genannt, bei dem technische Geräte dem Klienten psychophysiologische Prozesse
spiegeln, die diesem normalerweise nicht bewusst sind, um diese der
willkürlichen Steuerung durch den Klienten zugänglich zu machen. (George
Fuller, 1984).
Mit dem Präfix Bio ist die Biologie
gemeint, die alle dynamischen Prozesse beschreibt, die unaufhörlich in unserem
Körper ablaufen. Das Gehirn mit mehr als
100 Millionen Neuronen organisiert die Dynamik dieser Abläufe. Die Nerven transportieren
die Botschaften des Gehirns in jeden Winkel des Körpers. Durch Neurotransmitter,
Neuromodulatoren und Neurohormone kann jede Zelle des Körpers vom Gehirn
beeinflusst werden. Wenn sie dem Gehirn Informationen zur Verfügung stellen,
beeinflussen sie das ganze System. Der Begriff Biofeedback meint im Grunde,
Informationen dem Ort zur Verfügung zu stellen, von dem die beobachteten Bio
Signale ursprünglich verursacht werden.
Ein Beispiel ist das Herz-Raten-Variabilitäts
Training, eine Form des Biofeedback,. Wenn das Herz schneller schlägt, gibt es
eine Ursache im autonomen Nervensystem, die diese Beschleunigung verursacht.
Der Sympathikus wird aktiviert. In unserem Körper existiert immer ein Gleichgewicht
zwischen Antrieb und Bremse, zwischen Beschleunigung und Verlangsamung. In
unserem Beispiel bedeutet Verlangsamung eine Minderung des symphytischen
Einflusses, der beschleunigend wirkte. Das parasympathische System, speziell
der Vagus Nerv, der Verbindungen zu fast allen inneren Organen hat, übernimmt
die Kontrolle und verlangsamt den Herzschlag wieder
Um ein
solches Biofeedbacktraining durchzuführen benötigt man technische Hilfsmittel,
die die Herz Raten Variabilität messen und diese dem Klienten in Echtzeit
spiegeln. Das Feedback übernimmt die Aufgabe, dem Klienten die Vorgänge im
eigenen Körper durch auditive oder visuelle Signale zu spiegeln.
Biofeedback
ist mehr als ein passives Beobachten von Messergebnissen. Es beinhaltet eine
aktive Beteiligung des Klienten. Biofeedback hat das Ziel, dass der Klient
lernt, seine eigene Physiologie zu steuern. Deshalb lautet der gängige Begriff,
der diese Verfahren beschreibt, angewandte Psychophysiologie.
EEG Biofeedback (oder Neurofeedback) basiert
auf zwei Tatsachen. Zuerst einmal darauf, dass die elektrische Aktivität des Gehirns
- gemessen im EEG - Bewusstseinszustände spiegelt und darauf, dass man die
elektrische Aktivität und damit die damit zusammen hängenden Bewusstseinszustände
trainieren kann. Die elektrische Aktivität des Gehirns kann gemessen und auf
einem Computerbildschirm fast in Echtzeit (50-100 ms ) dargestellt werden. Auf
dem Computerbildschirmen werden Wellenlinien gezeigt. Die meisten Menschen
kennen das EKG, das der Arzt schreibt, um die Herzaktivität zu messen. Das EEG
ist ähnlich nur wesentlich weniger gleichmäßig. Es sieht ein wenig aus wie die
gekräuselte Oberfläche eines Sees. Was wir beobachten ist eine Mischung
verschiedener Wellenformen: da sind schmale, kurze Wellen mit niedriger
Amplitude und nur wenig Kraft oder Power, wie sie ein leichter Wind auf der
Oberfläche des Wassers verursachen würde, und zwar mit hoher Frequenz, während
größere Wellen, (höhere Amplitude und mehr Power) die den Wellen, die von einem
großen F-ährschiff verursacht werden, ähneln, mit eher langsamerer Frequenz
auftauchen. Die kleinen Wellen auf der Oberfläche eines Sees ändern Amplitude
und Frequenz mit jedem über das Wasser streichenden Windstoß, deshalb laufen
sie desynchron. Die größeren Wellen erscheinen hingegen regelmäßiger und in
eine gewissen Synchronizität. Wir haben bereits angemerkt, dass es unterschiedliche
Auslöser der verschiedenen Wellenformen gibt: das Fährschiff und den Wind. Tatsächlich
könnten wir uns auch ein kleineres Motorboot vorstellen, das an uns vorbeifährt
und eine regelmäßige, synchron aussehende Welle mit einer ein wenig erhöhten Frequenz
und erheblich weniger Kraft als die von der Fähre verursachten Wellen, erzeugt.
Die kleinen Wellen können auf großen, in der Tiefe abrollenden Wellen
aufgesetzt erscheinen, aber die Oberfläche des Sees ist immer in Bewegung. Diese Analogie zur Wasseroberfläche sollte
man im Gedächtnis behalten, während man das EEG beobachtet.
Auch die EEG Wellen haben
unterschiedliche Auslöser oder Generatoren ( Kortex/Thalamus) und sind von
deutlich unterschiedlicher Frequenz. Das Roh EEG beinhaltet alle
unterschiedlichen Frequenzen in einer einzigen Wellenlinie, wobei schneller
Wellen oft auf langsamere Wellen aufgesetzt erscheinen.
EEG Biofeedback beinhaltet
die Aufzeichnung dieser elektrischen Hirnaktivität durch Elektroden, die auf
der Kopfhaut aufgesetzt werden, und die das gemessene EEG auf einem Computerbildschirm
darstellen. Wenn der Klient seinen Bewusstseinszustand ändert, verändern sich
auch die gemessene elektrische Aktivität des EEG. Der Klient erkennt die
Veränderung auf Grund der unterschiedlichen Feedbacks, zu denen das
Neurofeedbacksystem die gemessene Information umwandelt. Er soll nun versuchen,
seine Hirnwellenaktivität so zu verändern, dass ein vordefiniertes Ziel
erreicht wird. Auf diese Art und Weise erlernt der Klient Selbststeuerung. Es
findet eine erlernte Normalisierung des EEG statt (Sterman)
Zusammenfassend kann gesagt werden,
dass moderne Elektronik und schnelle Rechner es möglich gemacht haben, EEG Wellen
so umzuwandeln, dass sie in allen
Variationen als Grafiken auf einem Computerbildschirm erscheinen. Das Erlernen
der Fähigkeit, die auf dem Computer sichtbaren Feedbacks zu verändern,
bedeutet, dass der Klient gelernt hat, sein EEG zu steuern. Die Beherrschung
der Selbststeuerung des eigenen EEG ist aber damit gleichzusetzen, dass man
gelernt hat, die Gemütszustände, die durch die EEG Wellen gespiegelt wurden, zu
verändern. Wenn das EEG Veränderungen in Thalamus-basalen und
Ganglia-kortikalen Prozessen bedeutet, dann erlernt die Person in Wahrheit die
Beherrschung dieser komplexen neuronalen Systeme.
Es ist wissenschaftlich belegt,
dass eine positive Verstärkung eines erwünschten Verhaltens zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit
Wiederholung dieses Verhaltens führt (Edward Thorndikes: Gesetz der Auswirkung
- Law of effect)
In unserem Falle belohnen wir die
Produktion erwünschter Hirnfrequenzen. Die Belohnung besteht aus einer
Erfolgsmeldung, die durch auditive oder visuelle Signale, die von einem
Computer erzeugt werden gegeben wird. Die Belohnung eines Verhaltens (oder
einer Reihe von neurophysiologischen Reaktionen) führt zu einer stufenweise
Veränderung oder einem Shaping der Frequenzanteile der Sequenz, die in
einer Anhebung der erwünschten Frequenzen
innerhalb dieser Sequenz gipfelt, die wiederholbar ist. (Sterman, 2000) Dieses
Shaping wird erzeugt durch einen Vorgang, den man operantes Konditionieren
nennt.
Der Terminus Operantes Konditionieren
sollte ursprünglich die Tatsache wiederspiegeln, dass das konditionierte
Verhalten zu einer Abfolge von erlernten Reaktion führte, die eine Aktion auslösten oder eine das Umfeld betreffende Handlung initiierten.
Technische Fortschritte zeigten, dass innere Veränderungen wie etwa die der
Hauttemperatur oder des Herzschlages auf diese Art und Weise erlernt werden
konnten. Von außen kommende Belohnungen waren also in der Lage, physiologische
Veränderungen im Körper zu verursachen (Sterman, 2000) Damit wurde klar, dass Veränderungen
nicht mehr allein vom äußeren Umfeld bedingt waren. Es bedurften einer neuen
Bezeichnung für diese Verfahrensweise. Nach längerer Diskussion in den 60 er
Jahren des letzten Jahrhunderts, wurde dafür schließlich der Begriff Biofeedback
verwendet.
.
Wenn wir das Verhalten von
Neuronenverbänden das wir im EEG erkennen, belohnen, benutzen wir den Begriff
EEG Biofeedback oder Neurofeedback. Die Tatsache, dass das EEG Biofeedback
signifikante und dauerhafte physiologische Veränderungen initiieren kann, wurde
bereits in den frühen 70 er Jahren des letzten Jahrhunderts dokumentiert. (Review by Barry Sterman, EEG Markers for Attention
Deficit Disorder: Pharmacological and
Neurofeedback Applications. Child Study Journal, Vol. 30, No. 1, 2000).
Biofeedback ist keine neuartige
Behandlungsform. Biofeedback ist ein universaler, natürlicher, biologischer
Prozess. Ein einfaches Beispiel dafür ist das Erlernen des Fahrrad Fahrens.
Wenn ein Kind sieben oder acht Jahre alt ist, ist es in der Lage, das Fahrrad
Fahren in einer halben Stunde zu erlernen, das Fahrrad über den Winter
abzustellen um es dann im Frühling weiter zu fahren, als habe es das Fahrrad fahren
schon immer beherrscht. Wie ist so etwas möglich? Die Antwort lautet: durch
natürliches Neurofeedback. Anstelle eines Biofeedbackgerätes, das ein Trainer
oder Therapeut einsetzt, besitzen wir eines, das zu unserem Körper gehört, und
zwar in diesem Falle im Innenohr, genauer, im vestibulären System. Dieses
besitzt eine gallertartige Flüssigkeit in den Kanälen der Schnecke, die
Bewegungen des Kopfes in jede Richtung registriert. Diese Informationen über
die Lage werden dem Gehirn über die Hörbahnen unentwegt zugeführt, ebenso wie
die beim Neurofeedbacktraining generierten Feedbacks über die visuellen und
auditiven Kanäle vom Gehirn empfangen werden. Das Gehirn registriert die
eingehenden Daten und koordiniert die Muskelgruppen noch ehe das Bewusstsein in
der Lage ist, eine von ihm selbst gesteuerte Bewegung zu gestalten. Als
Resultat beherrscht das Kind das Fahrradfahren wie von selbst. Diese Art des
Lernens ist eine Art inneres Neurofeedbacktraining. Andere Wege Bewusstseinszustände
und damit Hirnfunktionen unter Kontrolle zu bekommen werden seit Jahrhunderten
praktiziert, etwa Yoga, Meditation oder Kampfsport.
Behandlung oder Training
In den meisten Fällen bedeutet eine
medizinische Behandlung für den Patienten Passivität. Eine medikamentöse
Behdnlung oder ein chirurgischer Eingriff sind Beispiele für eine passive
Haltung des Patienten. Training bedeutet lernen und ist ein aktiver Prozess,
der einer Motivation des Patienten bedarf und einer Wiederholung der Übungen.
Was kann beim
Biofeedbacktraining messen werden?
In vielen Biofeedbackformen messen
wir Funktionen des autonomen (symathisches und parasymphatisches) Nervensystem.
Mit autonom ist etwas ähnliches wie automatisch gemeint. Vor einigen
Jahrzehnten dachten westliche Wissenschaftler, dass dieser Teil des
Nervensystems, der innere Organe wie Herz, Lunge, das gastrointensinal System,
die Blase und die Gefäße steuert, nicht unter der Kontrolle des Bewusstseins
stehe. Andererseits hatte man in Indien und China die Steuerung dieser Organe
seit tausenden Jahren praktiziert. Wie einer der griechischen Philosophen
sagte: "Es gibt nichts Neues unter der Sonne". Wir haben beim
Biofeedback diese klassischen Methoden durch das Hinzufügen elektronischer
Messgeräte leichter erlernbar gemacht.
Die westliche Wissenschaft machte
einen großen Sprung vorwärts, als man auch zu erkennen begann, dass der Mensch
in der Lage ist, die Steuerung vieler Prozesse der eigenen Physiologie unter
bewusste Kontrolle zu bringen. Es wurde deutlich, dass wir in der Lage sind,
biologische Funktionen, die vom autonomen Nervensystem gesteuert werden, wie
die Hauttemperatur, elektrodermale Reaktionen (Schwitzen), den Herzschlag und
die Koppelung zwischen Herzschlag und Atmung, die Respiratorische Sinus
Arrhythmie (RSA), steuern können. Zusätzlich benutzen wir den Begriff
Biofeedback auch beim Erlernen der bewussten Steuerung von Muskelanspannung
(EMG) Wie man jede dieser physiologischen Funktionen bewusst und sie der
Selbstregulation zugänglich macht, wird in einem späteren Kapitel abgehandelt.
Neurofeedback
Beim Neurofeedback messen wir
Frequenz und Amplitude verschiedener Hirnwellen. Diese werden mittels kleiner
Elektroden auf der Hautoberfläche gemessen. Um diese Messung präziser zu machen
benutzen wir eine hochleitfähige Emulsion. Die Elektrode oder die Elektroden
misst das Summenpotential der elektrischen Aktivität von Neuronen
(Nervenzellen) des Gehirns. Diese Messung wird Elektroenzephalogramm (EEG) genannt.
Elektro, weil wir elektrische Aktivität messen (das Spannungsgefälle zwischen
zwei Elektroden), Enzephalo, bezieht sich auf das Gehirn und Gramm auf das
Aufschreiben des Messergebnisses, wie es bei älteren EEG Messgeräten mittels
Stiften erfolgte. Moderne Geräte zeigen die Hirnwellenaktivität auf einem
Computerbildschirm. Das Roh EEG zeigt die Morphologie der Wellen, Amplitude,
wie hoch die Wellen verlaufen und Frequenz (Wie viele Wellen in der Sekunde
verzeichnet werden) Wellen mit unterschiedlicher Frequenz erscheinen zusammen, und
oftmals so, dass schnelle Wellen auf langsame Wellen aufgesetzt sind.
Unterschiedliche EEG Muster korrespondieren mit unterschiedlichen
Bewusstseinszuständen. Beispielsweise gibt es deutlich unterscheidbare
Hirnwellenmuster zwischen den Zuständen des Schlafs und denen des Wachens,
zwischen denen der Konzentration und denen des Arbeitsbewusstsein, zwischen denen
impulsiver, hyperaktiver Zustände und Zuständen der Ruhe und der Reflexion usw.
Der Begriff quantitatives EEG
(QEEG) bedeutet, dass das EEG nicht nur aufgezeichnet, sondern auch ausgewertet
wird, das heißt; die Aktivität verschiedener Frequenzen, sagen wir 4 Hz oder
vordefinierter Frequenzbände, sagen wir 4-8 Hz wird gemessen und quantifiziert.
Die elektrische Aktivität wird entweder als Amplitude in Microvolt (mV) oder
Millivolt (MV) oder als Power, gemessen in Picowatt (PW) angegeben. Das Roh EEG
zeigt Gehirnwellen, Amplituden und Wellenformen im zeitlichen Verlauf.
Das QEEG benutzt Algorithmen die
das Roh EEG umwandeln in auswertbare Darstellungen verschiedener
Frequenzanteile, die es dem Kliniker ermöglichen, Abweichungen von normaler
Hirnaktivität zu erkennen. Ein einfaches QEEG kann man mir drei Ableitungen
erstellen. Man benötigt eine Plus Elektrode, eine Negativ Elektrode und eine
für den "Grund". In modernen Geräten gibt es keine elektrische
Leitung, die dem klassischen elektrischen Grund entspricht. Gemeint ist eine
Schaltung, die die gute Qualität der Messung garantiert.
Das EEG Instrument (Elektroenzephalograph)
misst die Potentialdifferenz zwischen der Plus und der Minus Elektrode. Die positive Elektrode nennt man die aktive
Elektrode. Sie wird gewöhnlicher Weise über der Stelle angelegt, die man zu
messen wünscht. Die Minuselektrode wird Referenzelektrode genannt. Sie wird
gewöhnlicher Weise über einer elektrisch möglichst inaktiven Region platziert,
etwa am Ohrläppchen oder der Nasenwurzel. Diese Art der Messung wird unipolar
genannt. Es ist auch möglich, die Potentialdifferenz zwischen zwei aktiven
Elektroden zu messen, die beide auf der Kopfoberfläche befestigt werden. Diese
bipolare Anordnung zeichnet sich durch erheblich kleinere Amplituden aus .
Die Potentialdifferenz zwischen
zwei aktiven Elektroden ist auch abhängig von der Phase der gemessenen und zu
vergleichenden Wellenformen. Stellen sie sich vor, sie wären im Begriff, zwei
Wellen, die eine Frequenz von 9 Hz haben. Wenn beide Wellen in Phse sind, also
zur gleichen Zeit ansteigen, und eine dieser Wellen gemessen wird mit + 4 µV,
die andere aber mit +6µV, würde die Differenz 2µV betragen. Wenn die Wellen jedoch
gegenläufig sind, die eine also ansteigt, während die andere absinkt, würde die
Differenz zwischen beiden im selben Fall 10µV betragen Das Problem der
bipolaren Messung besteht also darin, richtig zu interpretieren, ob eine
gemessene Amplitudenveränderung aus der Differenz der Amplituden oder aus der
unterschiedlichen Phase beider Wellen stammt, aber Lubar ist der Meinung, auf
diese Art und Weise besitze das mittels bipolarer Anordnung der Elektroden
trainierte Gehirn mehr Möglichkeiten eine gestellte Aufgabe zu bewältigen. (Diese
Aufgabe könnte lauten: reduziere Theta, erhöhe SMR - den sensomotorischen
Rhythmus)
Auf die gleiche Art und Weise
können erheblich mehr Elektrodenpaare an unterschiedlichen Messpunkten auf dem
Kopf gemessen und ausgewertet werden. Normalerweise werden 19 Elektroden über
aktiven Hirnregionen benutzt, mittels eines so genannten Full Cap Assessments. Dieser
Ausdruck stammt aus dem amerikanischen und meint, dass zur Messung eine
leichte, geschlossene Mütze mit eingearbeiteten Elektrode benutzt wird, die ein
wenig wie eine Badekappe aussieht. Die solcherart gemessenen Daten können auf
die unterschiedlichste Art und Weise ausgewertet werden. Der Anwender kann
Power, Relative Power oder Anteil der Power verschiedener Bänder verglichen mit
der totalen Power aller Bänder betrachten, aber auch Kohärenz, Komodulation,
und Phase. Alle diese Begriffe werden noch erläutert werden. Das Messergebnis
kann auch mit Normwerten aus einer Datenbank verglichen werden, wobei
verschiedene Aussagen getroffen werden können über das Aktivitätsmuster
verschiedener Hirnregionen, Verlangsamungen frontal, Überaktivierungen, und
vielen anderen Auswertungen, die möglich sind. Diese Möglichkeiten werden in
den Ausführuingen zu den Eingangsmessungen im zweiten Kapitel besprochen. Es
gibt auch Anwender, die diese Informationen des EEG noch ausweiten wollen durch
den Einsatz von mehr Messelektroden, das können über 200 Messpunkte sein.
Eine weitere, experimentale Methode
die elektrische Aktivität des Gehirns zu beschreiben wird LORETA genannt (low resolution electro-magnetic tomography
assessment). LORETA ist im Grunde ein mathematisches Verfahren, das es
ermöglicht, die Oberflächenaktivität des Gehirns in Verbindung mit Arealen in
größerer Tiefe des Gehirns zu bringen, die mit diesen in Verbindung stehen. Das
Verfahren wurde erstmals von Roberto Pasqual-Marquis in Zürich entwickelt. Zu
diesem Zeitpunkt schienen die solcherart gefundenen Daten sehr gut mit den Ergebnisse
aus der Magnettomographie zusammen zu passen. Wie auch immer: LORETA ist sehr
anfällig für Artefakte.
Wir sind heutzutage in der Lage
Informationen, die mittels LORETA erstellt werden zu benutzen, um
Neurofeedbacktherapien gezielter zu gestalten. Ein Kapitel dieses Buches (Kapitel
VII) wird das LORETA Z Score Neurofeedbackverfahren beschreiben.
Anzumerken ist, dass MRI oder PET
Messungen die präziseste Möglichkeit darstellen, Hirnaktivität im zeitlichen
Verlauf darzustellen, auch wenn eventuell die räumliche Komponente fehlt. Die
Darstellung der Hirnaktivität im zeitlichen Verlauf ist mit diesen Verfahren
präzise darstellbar. Das EEG hat aber den Vorteil keine Kontrastmittel oder
andere Interventionen zu erfordern, während bei einer PET (positron emission tomography) Messung
radioaktiv angereichertes Material injiziert wird. Positronen werden abgegeben
und kollidieren mit Elektronen, das Ergebnis sind zwei Photonen, die vom Scanner
erfasst werden, der deren Quelle messtechnisch erkennt. Die metabolische Aktivität
der Hirnregionen zeigt sich auch in einem Anstieg des Sauerstoffbedarfs
dementsprechend können Regionen mit erhöhtem oder erniedrigtem Aktivitätsgrad durch
den unterschiedlichen Sauerstoffverbrauch im SPECT verfahren gemessen werden.
Diese hochtechnisierten Verfahren sind wissenschaftlich allgemein anerkannt und
die EEG Daten ergänzen deren Messergebisse gut. Bei Aufmerksamkeitsstörungen
zeigt sich beispielsweise oft eine EEG Verlangsamung in zentralen und frontalen
Hirnregionen, aber auch in einer Abnahme des Glukosestoffwechsels gemessen
mittels des PET Verfahrens und einer Abnahme der Blutzufuhr gemessen mittels
des SPECT Verfahrens eben in diesen Regionen.
Ereigniskorrelierte Potentiale ERPs
Eine EKP (ereigniskorrelierte
Potentiale - Englisch ERP oder event related potentials) Messung ist die
Messung einer Hirnaktivität, die als Antwort auf einen gegebenen Stimulus
erfolgt. Während das Elektroenzephalogramm die Messung von fortlaufender und
spontaner Hirnaktivität ist, ist ein ereigniskorreliertes Potential eine
innerhalb fester Zeitintervalle erfolgenden Antwort auf einen gegebenen
Stimulus. Diese Messungen zeigen oft unerwartete Aspekte. Beispielsweise wurden
ereigniskorrelierte Potentiale genau zu dem Zeitpunkt entdeckt, an dem sie als
Reizantwort erwartet wurden, obwohl tatsächlich gar kein Reiz gegeben worden
war. (Sutton,
Teuting, Zubin & John, 1967)[L2] . Die Definition der EKPs wurde 1969 von Vaughn wie folgt erstellt: EKPs
sind Reizantworten des Gehirns die in einer festen zeitlichen Beziehung zu
einem gegebenen oder erwarteten Reiz stehen.
In Nordamerika gibt es wenig Zusammenarbeit zwischen Therapeuten, die mit EKPs arbeiten und denen, die Neurofeedback praktizieren, aber die Forschung beider Wege die elektrische Aktivität des Gehirns zu beobachten ist vergleichbar. Wie auch immer, in den neuesten Messungen mit jüngst entwickelten Instrumenten der Neurowissenschaft finden sich fast immer 19 Kanal EEG Messungen, Messungen ereigniskorrelierter Potentiale und Messungen der Herzratenvariabilität gemeinsam. Die Forschungsliteratur über ereigniskorrelierte Potentiale ist deutlich umfangreicher als die über Neurofeedback und gilt als gesicherter, weil die Messbedingungen sehr sorgfältig kontrollierbar sind. Meistens werden diese Potentiale an Fz, Cz und Pz gemessen (eine Darstellung dieser Messpositionen finden sie in den Erläuterungen zum 10-20 System) Die erwartete Amplitude und die Elektrodenposition hängen ab von der zu messenden Variable. Die Amplitude der so genannten P300 ist normalerweise in den parietalen Regionen am höchsten und in den frontalen Hirnregionen aber eher niedrig. Die Forschung hat gezeigt, dass die Ausprägung der EKPs eng mit bestimmten klinischen Krankheitsbildern zusammen hängt, deshalb werden sie oft zu diagnostischen Zwecken benutzt. Am gebräuchlichsten ist die Anwendung beim Ohrenarzt oder Audiologen, der anhand dieser evozierten Potentiale erkennen kann, ob das Gehirn einen auditiven Reiz registriert hat, obwohl der Patient eventuell nicht ansprechbar ist oder nicht reagiert.
In den allermeisten Fällen sind die
evozierten Potentiale nur sichtbar zu machen durch Aufzeichnungen vieler
Reizreaktionen und deren Mittelung, manchmaL braucht man hunderte und sogar
tausende von Messungen um den Mittelungswert zu erhalten. EKPs zeigen sich in
Form einer festen Topographie (Verteilung an der Kopfhaut), Polarität (positiv
oder negativ), Amplitude (Wellenhöhe) und Latenz (zeitliches Auftreten). Wenn
genügend Messungen zu Durchschnittswerten geführt haben, bleiben die ermittelten
Kurven konstant und sind wiederholbar, während störende Hirnaktivitäten abweichen
und aussortiert werden können. Vaughn erwähnt vier Typen von EKPs: sensorische,
motorische, Langzeitpotentierung und undsteady-potential shifts. Die
sensorischen EKPs werden ausgelöst von visuellen Reizen, auditiven Reizen, von
Geschmack und Geruch. Auditive EKPs haben einen negativen Scheitelpunkt bei 80-90ms
und einen positiven Scheitelpunkt bei 170 ms nach gegebenem Stimulus. Diese
Reaktionskurve wird N1-P2 Komplex genannt. Sie wird im auditiven Kortex, der im
Bereich des Temporallappens liegt, generiert. (Vaughn&Arezzo, 1988)
Motorische EKPs initiieren und begleiten motorische Aktivität und verlaufen
proportional zur Stärke und Geschwindigkeit der Muskelkontraktion. Sie werden
beobachtet in präzentralen Regionen des motorischen Kortex.
Langzeitpotentierung reflektiert
im jeweiligen Subjekt erzeugte Reizantworten auf erwartete und unerwartete
Stimuli. Sie verlaufen in einem zeitlichen Abstand zwischen 250ms und 750 ms
nach einem gegebenen Stimulus. Die am meisten untersuchte Komponente ist die so
genannte P 300, eine Welle deren Scheitel ungefähr 300 ms nach der Darbietung
eines Oddball Stimulus zu beobachten ist. (Odball Paradigma: Der Versuchsperson werden nacheinander und in
zufälliger Reihenfolge zwei Arten von Stimuli angeboten: Standardstimuli und
abweichende Stimuli. Beide mit unterschiedlicher Auftretenswahrscheinlichkeit.
Die abweichenden Stimuli werden "odd
balls" genannt) Der Verlauf der EKP und das Auftreten der P300 ist auch
abhängig vom Alter des Probanden und der individuellen
Verarbeitungsgeschwindigkeit, ADHS Kinder scheinen einen flacheren Verlauf der
P300 zu zeigen als Kinder ohne diese Störung. Die P300 (manchmal als P3 abgekürzt) ist ein
Merkmal dafür, dass das Gehirn seine Aufmerksamkeit einem Reiz zuwendet. Die
P300 wurde von Sutton, Barron und Zubin 1965 entdeckt. Die
Orientierungsreaktion wird auch als ein EKP betrachtet. Ein Schwenk der
Aufmerksamkeit wird in der P3a wiedergespiegelt. Handlungsentscheidungen werden
in der parietalen P3b reflektiert. Passivität könnte durch eine
frontal-zentrale P3b Antwort angezeigt werden.
(Näheres und Verständlicheres in Bezug auf EKPs in ADHS Neurodiagnostik in der Praxis von
Müller, Candrian und Kropotov, Springer2011)
Ein ebenfalls sehr gut beobachtetes negatives Langzeitpotential ist die N400 (Kutas & Hillyard, 1980). Sie erscheint als Reizantwort nach unerwarteten Satzenden oder anderen sprachlichen Abweichungen. Die Lyrik des Songs Oh Suzanna, würde wahrscheinlich eine Serie von N400 Reaktionen auslösen:: “It rained all night the day I left, the weather it was dry. The sun so hot, I froze to death. Suzanna don’t you cry.”
Eine Verschiebung des kortikalen
Bestandspotentials (DC Komponente) erfolgt nachdem einer Person ein Signal
angekündigt wird auf das hin diese Person reagieren soll. es ist eine Art Antizipationsreaktion.
Sie wird als Negativierung zwischen dem Signal, das ein kommendes Ereignis
ankündigt und dem Ereignis selbst beobachtet. Diese Art Bereitschaftspotential
wird CNV genannt (CNV) (Walter,
Cooper, Aldridge, McCallum & Winter, 1964).
contingent negative variation [E],
Abk. CNV, ein von W.G. Walter 1964 erstmals beschriebenes, rampenförmiges, negatives ereigniskorreliertes
Potential, das zwischen einem Warnstimulus
(S1) und einem Imperativstimulus (S2) mit einem Maximum über frontozentralen
Gebieten der Kopfhaut auftritt. Es sind ca. 25 Einzelversuche notwendig, um die
CNV durch Mittelung (Averaging)
aus dem Hintergrund-EEG herauszuheben. Die Amplitude liegt zwischen 10 und 20
μV. Bei Vergrößern des S1-S2 Abstandes auf mehr als eine Sekunde läßt sich die
CNV trennen in a) eine O-Welle,
die Orientierungsfunktionen anzeigen soll und auf S1 folgt, und b) eine E-Welle, die die Erwartung auf den
Imperativreiz widerspiegelt und unmittelbar vor diesem auftritt. Die
funktionelle Interpretation der CNV ist umstritten (sensorimotorische
Assoziation, Aufmerksamkeit/Arousal). (spektum.de)
EKPs wurden als gutes Hilfsmittel zur Erstellung einer
präzisen Diagnose
entdeckt. Beispielsweise haben go/nogo Tasks gezeigt, dass es Unterschiede
zwischen ADHS Kindern und unauffälligen Kindern gibt. Go meint,
dass ein Proband auf einen gegebenen Stimulus reagieren muss, beispielsweise
wird ein grünes Licht eingeblendet, das als Signal für das Auslösen einer Reaktion
ausgemacht wurde. Ein Go Stimulus verursacht im EEG eine Desynchronisierung der
Alpha Aktivität. Im No Go Modus ist der Proband aufgefordert auf ein bestimmtes
Signal hin, eine Handlung zu unterdrücken oder nicht auszuführen. Um im obigen
Beispiel zu bleiben: ein rotes Signal wäre eine Aufforderung, nicht zu
reagieren. Im EEG zeigt sich das als eine allgemeine Desynchronisierung, die
gefolgt wird von einer Synchronisierung frontaler und occipitaler Hirnregionen.
Diese EKPS
sind bei ADHS Kindern auffällig. Die EKPs in unauffälligen Kindern sind höher.
Es konnte gezeigt werden, dass 20 Sitzungen eines Beta Trainings bei ADHS
Kindern zu einem deutlichen Anstieg der EKP Antworten führen kann. (Grin-Yatsenko & Kropotov, 2001). Während des
Verfassens dieses Buches arbeitete die Gruppe um Professor Kropotov an der
Erforschung der EKPs, um die Regionen des Kortex näher zu bestimmen, die an der
Reaktion auf die Go/No Go Tasks beteiligt sind. Peter Rosenfeld, von der
Northwestern University in Chicago, USA, hat mit EKPs in Verbindung mit der
Entwicklung von Lügendetektoren gearbeitet. Er konnte nachweisen, dass die P
300 bei einem Menschen, der lügt, anders verläuft. Interessanterweise gibt es
eine sehr gerade verlaufende Kurve, wenn die P300 bei einem Menschen, der die
Wahrheit spricht an Fz-Cz und Pz gemessen wird, während die Kurve sehr
ungleichmäßig beim Lügner verläuft. (Rosenfeld,
1998).
EKPs können auch dazu benutzt
werden, Verletzungsfolgen zu demonstrieren. Beispielsweise konnte Professor
Kropotov zeigen, dass EKPs nach auditivem Stimulus abgeschwächt erscheinen,
wenn eine Verletzung des linken Parietal-Temporalbereichs vorliegt (dem
auditiven Kortex) dass sie aber deutlich ausgeprägter erscheinen, wenn die
Hirnschädigung frontale Bereiche betrifft. Dieser Anstieg weist auf einen
Mangel an Inhibition zwischen dem Frontallappen und dem Temporallappen hin.
Event-Related Desynchronization (ERD)
Event-related desynchronization
(ERD) wird die Beobachtung genannt, dass eine Steigerung kognitiver oder
sensorischer Aktivität zu einer Abnahme der rhythmischen langsamen Aktivität
des Gehirns führt, während gleichzeitig desynchronisierte Beta Aktivität
zunimmt. Nach der Beendigung der Aktivität wird eine postreinforcement synchronization (PRS) des EEG beobachtet.
M. Barry Sterman beschreibt diese Auffälligkeit in seinem Buch über die EEG
Messungen bei Kampffliegern. Er registrierte, dass die Phase der
Synchronisierung wie eine Selbstbelohnung des Gehirns wirkt, dass sich nach dem
Erfüllen einer Aufgabe eine Ruhepause gönnt - Ausbrüche von synchronisierter
Alpha Aktivität - Sterman bemerkte auch, dass es bei Überlastung des Piloten zu
einem Schwenk von der schnellen Beta Aktivität zu einer verstärkten
Alphaaktivität kommt, beispielsweise bei der Simulation einer unmöglichen
Landung am Simulator. Das bedeutet wohl, dass Alpha Aktivität auf unterschiedliche
Prozesse hinweist, je nach Bedingung, in diesem Falle entweder als Anzeichen einer
kurzen Pause oder als ein Sich Aufgeben. Nichts, was das Hirn betrifft, ist
wirklich einfach zu erklären. Es ist wohl wichtig, dass man im Feld der
Neurotherapie immer wieder auf Tatsachen stößt, die nicht eindeutig erklärbar
sind.
Slow Cortical Potentials (SCPs)
Hauptsächlich verdanken wir unsere
Erkenntnisse auf diesem Gebiet europäischen Wissenschaftlern wie Nils Birbaumer
und Kollegen an der Universität von Tübingen in Deutschland und von John
Gruzelier (Dept.
of Psychology at Goldsmiths University, formerly London[L3] . Es gibt
nur wenige Therapeuten, die in den USA mit SCP arbeiten. Es gibt einige in den
USA oder Kanada gebräuchliche Neurofeedbacksysteme, mit denen es möglich ist,
SCPs zu messen und zu trainieren. Beispielsweise das Biograph Infinity Gerät
von Thought Technology. SCPs sind sehr langsame Wellen, die zwischen
Postivierung und Negativierung wechseln. SCPs werden weiter unten im Buch
genauer beschrieben.
Es gibt ein großes Interesse an der
akribischen Arbeit von Gruzelier und Birbaumer über Slow Cortical Potentials
bei schizophrenen Patienten. Bierbaumer arbeitete mit ALS Patienten, denen es
auf Grund der fortgeschrittenen Lähmungen der Muskulatur nicht mehr möglich
war, mit der Umwelt in Verbindung zu treten.
Über Positivierung und Negativierung der Slow Cortical Potentials gelang
es diesen Patienten aber, eine Kommunikation herzustellen. Bierbaumer zeigte
diesen Menschen, wie sie durch Wechsel zwischen Positivierung und Negativierung
Buchstaben markieren konnten und versetzte sie damit in die Lage, Texte zu
schreiben. Er konnte auch demonstrieren, dass eine Positivierung der Slow
Cortical Potentials zu einer energetischen Abschwächung der übrigen EEG
Aktivität führt. Diese Tatsache kann zur Therapie von Epilepsie genutzt werden.
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