Freitag, 7. August 2015

Was ist eigentlich das Warnke Verfahren?
Bekannt ist der Brain Boy, der auch im Folgenden erwähnt wird. Im Grunde trainiert er auch evozierte Potentiale. Aber das Warnke Verfahren ist weit mehr und ist es wert, als Basis und als Ergänzung zu allen Neurofeedbacktherapien zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bekannter zu werden.

Wir testen bei Erstkontakt wesentlich umfangreicher als andere und benutzen dazu den von der Firma MediTECH entwickelten „Erweiterten   Prüfablauf“,   EPA,   (Warnke/Scholz,   MediTECH
2003). Der Test dauert zwei Stunden, wobei eine zusätzliche Stunde für ein Vorgespräch eingeplant werden muss, bei dem die möglichen Ursachen der Probleme bereits eingegrenzt werden..
Die Tests prüfen die möglichen Ursachen der Lernprobleme, aber auch die aus eventuellen Automatisierungsproblemen resultierenden Aufmerksamkeitsprobleme. Sie sind systematisch aufgebaut und beginnen bei der Reizverarbeitung: visuell und auditiv, dem Richtungshören und der motorisch auditiven Koppelung, gehen über Silbenmerkfähigkeit und Merkfähigkeit von Sätzen zur Merkfähigkeit längerer Texte. Gemessen wird die auditive Diskriminationsfähigkeit und das Hören vor Störgeräuschen, die Blicksteuerung, die exakte Blickverfolgung, die visuelle und auditive Merkfähigkeit, Winkelfehlsichtigkeit, Vernetzung der Hirnhälften, koordinative Fähigkeiten und das Vorliegen frühkindlicher Reflexe. Schließlich wird anhand eines QEEG das Vorliegen einer physiologisch abweichenden Aktivierung bestimmter Hirnareale, die mit Aufmerksamkeitsstörungen einhergehen, geprüft.
Als wahrscheinliche Ursache von Lern- und Verhaltensproblemen gelten
1:        Erhöhte Ordnungsschwellenwerte, Professor Pöppel, Berlin
2:        Unscharfes Sakkaden, Prof. Breitmeyer USA
3:        Blicktüchtigkeit, Prof. Fischer, Freiburg
4:        Synchrones Finger Tapping , Prof Wolff USA
5:        Balancier Probleme, Dr. Fawcett, GB
6:        Motorische Reaktionszeit, Prof. Nicholson GB
7:        Phonematische Diskrimination, Prof. Talall, USA
8:        Ordnungsschwelle, Prof. Kegel, München
9:        Auditive Mustererkennung, Prof. Musiek, USA
10:      Zugriff auf Wortschatz, Prof. Shaywitz, USA
11:      Kurzzeit Merkfähigkeit, Prof, Mottier, CH
12:      Tonhöhendiskriminierung, Prof. Holopainen, SF

Fred Warnke kam zu dem Schluss, dass ein allgemeines Automatisierungsdefizit diesen Problemen zu Grunde liegt, das durch ein gut ausgearbeitetes Training aufgearbeitet werden kann.
Die Therapie richtet sich nach dem festgestellten Störungsbild.
Was aber ist die Ordnungsschwelle
Ernst Pöppel erwähnte in diesem Buch den „Takt des Gehirns“, eine messbare Zeitspanne, die das Jetzt bedeuten. Das für den Hirnforscher zu erklärende Phänomen ist die Synchronizität  verschiedener  biologischer  Prozesse  im menschlichen Gehirn. Pöppel benannte die Fusionsschwelle, die Ordnungsschwelle, die Ereigniskettenbildung bis hin zum subjektiven Jetzt und der folgenden Antizipation. Fusionsschwelle (2ms) ist die Schwelle, die es ermöglicht, zwei Reize als getrennt wahrnehmen zu  können,  Ordnungsschwelle (20ms)  ist  die Schwelle, in der zwei Reize noch in ihrer zeitlichen Ordnung angegeben werden können. Die Schwelle also, an der der Mensch noch sagen kann, dieses Ereignis war vorher, dieses danach. Die Ereigniskettenbildung (100-500ms) ist der Bereich in der zeitliche Abfolgen,  die  sich  über  mehrere  Laute  erstrecken,  in  ihrer korrekten zeitlichen Folge wiedergegeben werden können. Im subjektiven Jetzt (ca. 2-3 Sekunden) werden z.B. prosodische Muster des Intonationsverlaufs wahrgenommen. Da man sich das Gehirn  als  getaktet  vorstellen  kann,  liegt  der  Gedanke  nahe, mentale und körperliche Leistung zu steigern, indem man die Geschwindigkeit trainiert, in der das Kind Ordnung in Wahrnehmungen bringen kann. Dass ein solches Training möglich ist, belegte die Studie von Tewes (2003), der in seiner Studie überprüfte, ob ein Low-Level Training mit dem Brain Boy der Firma MediTECH die Ordnungsschwelle, die bei lese- rechtschreibschwachen Kindern oftmals höher liegt als bei anderen Kindern, senken kann. Die Studie bestätigte das. Wie man den obigen Ausführungen über die Ereigniskettenbildung und das subjektive Jetzt entnehmen kann, hat eine Verbesserung der Ordnungsschwelle einen Einfluss auf höhere Ebenen der Sprachbildung,   bis   hin   zur   Antizipation,   die   als   zeitliche Organisation zukünftiger Handlungen definiert ist, (Pöppel, 1978) und die notwendig ist, um das Gehörte in Geschriebenes umzusetzen.  Obwohl Warnke die Indikation für das Brain Boy Training nicht so weit steckt, zeigt die praktische Erfahrung, dass das Training mit dem Brain Boy auch zu Verbesserungen  im motorischen Bereich der Kinder führt und dass es einen Einfluss auf die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit hat, die zu Verbesserungen der Konzentration und damit zu Verhaltensverbesserungen  (höhere  Konzentrationsfähigkeit, größere  geistige Beweglichkeit) der  Kinder  führen kann.  Wenn man dem Gehirn eine holographische Struktur attestiert, wie es manche Neurofeedbacktherapeuten tun, wenn man also davon ausgeht, dass man niemals singuläre Funktionen im Gehirn trainiert ohne andere Funktionen mit zu trainieren, dann sollte ein Training der basalen Wahrnehmungsfunktionen auch zu einer allgemeinen Steigerung der Leistungsfähigkeit von Hirnfunktionen führen können.
Zu dem Thema auch Pöppel in: “Time perception, Handbook of sensory Physiologie“, oder Pöppel: “A hierarchical model of temporal perception in cognitive science“, oder Steinbüchel: (1987)
„Therapie    der    zeitlichen    Verarbeitung   akustischer    Reize   in aphasischen Patienten“ (Dissertation Uni München), dann auch Steinbüchel: „Befund und Training der zeitlichen Verarbeitung von Hörreizen bei Grundschülern mit LRS.“
„Dyslexic children suffer not only…from a deficit in phonological processing but also in central processing speed.” Die Kinder leiden an einem: „sensory deficit (flicker, motion sensivity, rapid auditory discrimination),  bad  balance,  phonological  problems,  problems with working memory speed.
(Wolf and Bowers, 1999).
Das Training Warnkes umfasst natürlich auch die 8 Low-Level Funktionen, die alle trainiert werden müssen.
Die
1: visuelle Ordnungsschwelle
2: auditive Ordnungsschwelle
3: Richtungshören
4: Tonhöhenunterscheidung
5: Augen Hand Koordination als Finger Tapping
6: Wahl-Reaktionszeit
7: Mustererkennung
8: Mustererkennung langer Töne

Zu 1 und 2 heißt es bei Fred Warnke: Visuelle, auditive Ordnungsschwelle
„Schon in den frühen achtziger Jahren hat Prof. Ernst Pöppel…grundlegende Untersuchungen zur Ordnungsschwelle vorgestellt…Sein Kollege Professor Kegel…hat den Zusammenhang zwischen der Ordnungsschwelle und der sprachlichen Kompetenz des Menschen erforscht…Nur wenn unser Gehirn in der Lage ist, diese Zeitabstände einzuhalten…können wir Sprache mühelos wahrnehmen und verstehen.“ (Fred Warnke, Information für Eltern, 2006)

Zu 3: Richtungshören
„Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, dass sie auch mit geschlossenen Augen die Richtung eines herannahenden Autos wahrnehmen oder sich inmitten vieler sprechender Menschen auf den jeweiligen Sprecher konzentrieren können. In der Schulklasse ist diese Fähigkeit von besonderer Wichtigkeit. Der weitgehend unvermeidliche Geräuschpegel in ruhigen deutschen Schulklassen liegt bei etwa 50 dB(A), in lebhafteren Klassen eher bei 60 dB(A). Je besser sich ein Schüler auf die Richtung der Stimme des Lehrers oder des gerade antwortenden Mitschülers konzentrieren kann, die sein Ohr nur mit 60 … 65 dB(A) erreichen, desto leichter fällt es ihm, dem Unterrichtsgeschehen zu folgen, ohne sich durch diese Störgeräusche ablenken zu lassen.
Wenn   aber   ein   Schüler…diese   Fähigkeit…nur   unzureichend besitzt, wird er durch diese Störgeräusche…so abgelenkt, dass er einen  Teil  der…Informationen  nicht  versteht  und  das Unverstandene aus dem Zusammenhang ergänzen muss. Diese Schüler gelten dann als unaufmerksam oder leicht ablenkbar. Professor Jens Blauert hat dieses Phänomen gründlich beschrieben und als wesentliche Voraussetzung…die genaue Auswertung der Laufzeitunterschiede   zwischen  den  beiden Ohren dargestellt…Diese Laufzeitunterschiede werden von unserer zentralen Hörverarbeitung automatisch ausgewertet. Bei sprachauffälligen Kindern ist diese Fähigkeit oft beeinträchtigt.“ (ebenda)

Zu 4: Tonhöhenunterscheidung
„Um Sprache zu verstehen muss der Mensch „Sprechlautstärke, Sprechrhythmus, Sprechmelodie und Sprechgeschwindigkeit…hören und beherrschen…Wichtigste Voraussetzung für eine „effiziente“ Prosodie ist natürlich die Fähigkeit, diese kleinen Tonhöhenunterschiede in der eigenen Sprache überhaupt wahrzunehmen…Erfreulicherweise lässt sich auch diese Fähigkeit trainieren. Eine umfängliche Studie des Professor  Meyer  von  der…weist  unter  anderem  beispielsweise nach, dass 67% der getesteten Musiker, die ein Streichinstrument spielten, noch Tonintervalle von 0,4% voneinander unterscheiden konnten…Diese Werte hatten sie als Kinder gewiss noch nicht besessen, sondern erst durch Übung erreicht.“ (ebenda)

Zu 5:
Synchrones Finger-Tapping
„Unter   dem   synchronen   Finger   Tapping   verstehen   wir   die Fähigkeit, zu einer Folge von raschen Links-Rechts-Klicks zeitgleich abwechselnd mit den Fingern zu klopfen. Sie ist höchstwahrscheinlich ein Maß effizienter Koordination der beiden Hirnhälften. In mehreren Untersuchungen hat Prof. P.H. Wolff von der Universität Harvard an Schülern unterschiedlichen Alters bestätigt gefunden, dass LRS Kinder im Vergleich zu der Kontrollgruppe gutschreibender Kinder erheblich größere Schwierigkeiten hatten, wirklich synchron zu eine regelmäßigen Links-Rechts-Muster von Klicks im Kopfhörer mit den Fingern beider Hände einen gleich bleibenden Klopfrhythmus aufrechtzuerhalten. Er führt dies auf eine mangelhafte Koordination zwischen   den   beiden   Hirnhälften   der   LRS   Kinder   zurück“
„Ausgehend von diesen Ergebnissen begründete Wolff seine Vermutung,  dass  die  motorischen  Defizite  bei  der Synchronisierung zwischen linker und rechter Hand die Folge einer Störung der interhemisphärischen Kooperation bei diesen Jungen mit  Leseschwäche  seien,  ferner  nahm  er  an,  dass  auch  die Leseprobleme dieser Kinder die Folge einer Entwicklungsverzögerung der interhemisphärischen Kooperation seien.“ (ebenda)

Zu 6:
Wahl-Reaktionszeit
„Den Nachweis, dass bei derartigen Wahl-Reaktions-Aufgaben die auditiv-motorischen Zeiten der LRS Kinder deutlich denen der Kontrollgruppe unterlegen waren, verdanken wir wieder Professor Nicolson und  seinem  Team.…Dieses letzte  Ergebnis legt  nahe, dass wenigstens zwei Faktoren zu der Langsamkeit von LRS Kindern beiragen: Ein allgemeines Defizit, das sich in einer langsameren Reizklassifizierung zeigt, und ein linguistisches Defizit, das sich in einer langsameren lexikalischen Zugriffsgeschwindigkeit zeigt.
Das  bestätigt  weiter  die  Auffassung,  dass  LRS  Kinder grundsätzlich ein breit angelegtes Automatisierungsdefizit aufweisen, das sich um so gravierender auswirkt, je komplexer und in einander vernetzt die Abfolge von Aufgaben wird, von denen jede Einzelne automatisiert sein müsste.“(ebenda)

Zu 7a
„Der amerikanische Neurowissenschaftler Professor Frank E. Musiek hat in längeren Versuchsreihen…herausgefunden, dass Probleme bei Versuchspersonen, diese Aufgabe zu bewältigen, in engem  Zusammenhang  mit  deren  sprachlicher  Kompetenz standen.“ (ebenda)

Zu 7b
„Der  oben   erwähnte  Neurowissenschaftler  Musiek  hat   einen weitere  Test  entwickelt,  bei  dem  er  seinen  Versuchspersonen rasche Folgen von jeweils drei aufeinander folgenden Tönen gleicher  Tonhöhe,  aber  unterschiedlicher  Dauer vorspielte…Musiek fand heraus, dass die Ergebnisse seiner zahlreichen Versuchspersonen auch bei diesem Test wiederum in engem Zusammenhang mit deren sprachlicher Kompetenz standen.“(ebenda)
Das Training besteht aber im Grunde aus verschiedenen Einheiten, beginnend bei motorischen Übungen auf dem Wippbrett, sensorischen Übungen mit dem Brain Boy, Merkfähigkeitsübungen, Lautierungsübungen, Silbenweises Lesen, Blicksteuerungstraining, Arbeitsstrategie, und je nach und Neurofeedback,. Es bleibt immer am Einzelfall orientiert.
Schulgespräche, Elterntraining und emotionales Coaching sind selbstverständlich.
Merkfähigkeit wird ebenso trainiert wie hochtonveredelte Hören. Warnkes Lesetraining, bei dem Proband und Trainer synchron und über Kopfhörer und Mikrofon verbunden lesen und ein klassisches Rechtschreibtraining sowie ein Visualiserungstraining von Wörtern sind Teil des Programms
Zur Ergänzung der Link zu meinem Text

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