Was ist eigentlich das Warnke Verfahren?
Bekannt ist der Brain Boy, der auch im Folgenden erwähnt wird. Im Grunde trainiert er auch evozierte Potentiale. Aber das Warnke Verfahren ist weit mehr und ist es wert, als Basis und als Ergänzung zu allen Neurofeedbacktherapien zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bekannter zu werden.
Wir testen bei Erstkontakt wesentlich umfangreicher als andere und benutzen dazu den von der Firma MediTECH
entwickelten „Erweiterten Prüfablauf“, EPA, (Warnke/Scholz,
MediTECH
2003). Der Test dauert zwei Stunden, wobei eine zusätzliche Stunde
für ein Vorgespräch eingeplant werden muss, bei dem die möglichen
Ursachen der Probleme bereits eingegrenzt werden..
Die Tests prüfen die möglichen
Ursachen der Lernprobleme, aber auch die aus eventuellen Automatisierungsproblemen resultierenden
Aufmerksamkeitsprobleme. Sie sind systematisch aufgebaut und beginnen
bei der Reizverarbeitung: visuell und auditiv, dem Richtungshören und
der motorisch auditiven Koppelung, gehen über Silbenmerkfähigkeit und
Merkfähigkeit von Sätzen zur Merkfähigkeit längerer Texte. Gemessen wird
die auditive Diskriminationsfähigkeit und das Hören vor Störgeräuschen,
die Blicksteuerung, die exakte Blickverfolgung, die visuelle und
auditive Merkfähigkeit, Winkelfehlsichtigkeit, Vernetzung der
Hirnhälften, koordinative Fähigkeiten und das Vorliegen frühkindlicher
Reflexe. Schließlich wird anhand eines QEEG das Vorliegen einer
physiologisch abweichenden Aktivierung bestimmter Hirnareale, die mit
Aufmerksamkeitsstörungen einhergehen, geprüft.
Als wahrscheinliche Ursache von Lern- und Verhaltensproblemen gelten
1: Erhöhte Ordnungsschwellenwerte, Professor Pöppel, Berlin
2: Unscharfes Sakkaden, Prof. Breitmeyer USA
3: Blicktüchtigkeit, Prof. Fischer, Freiburg
4: Synchrones Finger Tapping , Prof Wolff USA
5: Balancier Probleme, Dr. Fawcett, GB
6: Motorische Reaktionszeit, Prof. Nicholson GB
7: Phonematische Diskrimination, Prof. Talall, USA
8: Ordnungsschwelle, Prof. Kegel, München
9: Auditive Mustererkennung, Prof. Musiek, USA
10: Zugriff auf Wortschatz, Prof. Shaywitz, USA
11: Kurzzeit Merkfähigkeit, Prof, Mottier, CH
12: Tonhöhendiskriminierung, Prof. Holopainen, SF
Fred Warnke kam zu dem Schluss, dass ein allgemeines
Automatisierungsdefizit diesen Problemen zu Grunde liegt, das durch ein
gut ausgearbeitetes Training aufgearbeitet werden kann.
Die Therapie richtet sich nach dem festgestellten Störungsbild.
Was aber ist die Ordnungsschwelle
Ernst Pöppel erwähnte in diesem Buch den „Takt des Gehirns“, eine
messbare Zeitspanne, die das Jetzt bedeuten. Das für den Hirnforscher zu
erklärende Phänomen ist die Synchronizität verschiedener biologischer
Prozesse im menschlichen Gehirn. Pöppel benannte die Fusionsschwelle,
die Ordnungsschwelle, die Ereigniskettenbildung bis hin zum subjektiven
Jetzt und der folgenden Antizipation. Fusionsschwelle (2ms) ist die
Schwelle, die es ermöglicht, zwei Reize als getrennt wahrnehmen zu
können, Ordnungsschwelle (20ms) ist die Schwelle, in der zwei Reize
noch in ihrer zeitlichen Ordnung angegeben werden können. Die Schwelle
also, an der der Mensch noch sagen kann, dieses Ereignis war vorher,
dieses danach. Die Ereigniskettenbildung (100-500ms) ist der Bereich in
der zeitliche Abfolgen, die sich über mehrere Laute erstrecken,
in ihrer korrekten zeitlichen Folge wiedergegeben werden können. Im
subjektiven Jetzt (ca. 2-3 Sekunden) werden z.B. prosodische Muster des
Intonationsverlaufs wahrgenommen. Da man sich das Gehirn als getaktet
vorstellen kann, liegt der Gedanke nahe, mentale und körperliche
Leistung zu steigern, indem man die Geschwindigkeit trainiert, in der
das Kind Ordnung in Wahrnehmungen bringen kann. Dass ein solches
Training möglich ist, belegte die Studie von Tewes (2003), der in seiner
Studie überprüfte, ob ein Low-Level Training mit dem Brain Boy der
Firma MediTECH die Ordnungsschwelle, die bei lese- rechtschreibschwachen
Kindern oftmals höher liegt als bei anderen Kindern, senken kann. Die
Studie bestätigte das. Wie man den obigen Ausführungen über die
Ereigniskettenbildung und das subjektive Jetzt entnehmen kann, hat eine
Verbesserung der Ordnungsschwelle einen Einfluss auf höhere Ebenen der
Sprachbildung, bis hin zur Antizipation, die als
zeitliche Organisation zukünftiger Handlungen definiert ist, (Pöppel,
1978) und die notwendig ist, um das Gehörte in Geschriebenes umzusetzen.
Obwohl Warnke die Indikation für das Brain Boy Training nicht so weit
steckt, zeigt die praktische Erfahrung, dass das Training mit dem Brain
Boy auch zu Verbesserungen im motorischen Bereich der Kinder führt und
dass es einen Einfluss auf die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit
hat, die zu Verbesserungen der Konzentration und damit zu
Verhaltensverbesserungen (höhere Konzentrationsfähigkeit, größere
geistige Beweglichkeit) der Kinder führen kann. Wenn man dem Gehirn
eine holographische Struktur attestiert, wie es manche
Neurofeedbacktherapeuten tun, wenn man also davon ausgeht, dass man
niemals singuläre Funktionen im Gehirn trainiert ohne andere Funktionen
mit zu trainieren, dann sollte ein Training der basalen
Wahrnehmungsfunktionen auch zu einer allgemeinen Steigerung der
Leistungsfähigkeit von Hirnfunktionen führen können.
Zu dem Thema auch Pöppel in: “Time perception, Handbook of sensory
Physiologie“, oder Pöppel: “A hierarchical model of temporal perception
in cognitive science“, oder Steinbüchel: (1987)
„Therapie der zeitlichen Verarbeitung akustischer
Reize in aphasischen Patienten“ (Dissertation Uni München), dann auch
Steinbüchel: „Befund und Training der zeitlichen Verarbeitung von
Hörreizen bei Grundschülern mit LRS.“
„Dyslexic children suffer not only…from a deficit in phonological
processing but also in central processing speed.” Die Kinder leiden an
einem: „sensory deficit (flicker, motion sensivity, rapid auditory
discrimination), bad balance, phonological problems, problems with
working memory speed.
(Wolf and Bowers, 1999).
Das Training Warnkes umfasst natürlich auch die 8 Low-Level Funktionen, die alle trainiert werden müssen.
Die
1: visuelle Ordnungsschwelle
2: auditive Ordnungsschwelle
3: Richtungshören
4: Tonhöhenunterscheidung
5: Augen Hand Koordination als Finger Tapping
6: Wahl-Reaktionszeit
7: Mustererkennung
8: Mustererkennung langer Töne
Zu 1 und 2 heißt es bei Fred Warnke: Visuelle, auditive Ordnungsschwelle
„Schon in den frühen achtziger Jahren hat Prof. Ernst
Pöppel…grundlegende Untersuchungen zur Ordnungsschwelle vorgestellt…Sein
Kollege Professor Kegel…hat den Zusammenhang zwischen der
Ordnungsschwelle und der sprachlichen Kompetenz des Menschen
erforscht…Nur wenn unser Gehirn in der Lage ist, diese Zeitabstände
einzuhalten…können wir Sprache mühelos wahrnehmen und verstehen.“ (Fred
Warnke, Information für Eltern, 2006)
Zu 3: Richtungshören
„Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, dass sie auch
mit geschlossenen Augen die Richtung eines herannahenden Autos
wahrnehmen oder sich inmitten vieler sprechender Menschen auf den
jeweiligen Sprecher konzentrieren können. In der Schulklasse ist diese
Fähigkeit von besonderer Wichtigkeit. Der weitgehend unvermeidliche
Geräuschpegel in ruhigen deutschen Schulklassen liegt bei etwa 50 dB(A),
in lebhafteren Klassen eher bei 60 dB(A). Je besser sich ein Schüler
auf die Richtung der Stimme des Lehrers oder des gerade antwortenden
Mitschülers konzentrieren kann, die sein Ohr nur mit 60 … 65 dB(A)
erreichen, desto leichter fällt es ihm, dem Unterrichtsgeschehen zu
folgen, ohne sich durch diese Störgeräusche ablenken zu lassen.
Wenn aber ein Schüler…diese Fähigkeit…nur unzureichend
besitzt, wird er durch diese Störgeräusche…so abgelenkt, dass er einen
Teil der…Informationen nicht versteht und das Unverstandene aus
dem Zusammenhang ergänzen muss. Diese Schüler gelten dann als
unaufmerksam oder leicht ablenkbar. Professor Jens Blauert hat dieses
Phänomen gründlich beschrieben und als wesentliche Voraussetzung…die
genaue Auswertung der Laufzeitunterschiede zwischen den beiden
Ohren dargestellt…Diese Laufzeitunterschiede werden von unserer
zentralen Hörverarbeitung automatisch ausgewertet. Bei sprachauffälligen
Kindern ist diese Fähigkeit oft beeinträchtigt.“ (ebenda)
Zu 4: Tonhöhenunterscheidung
„Um Sprache zu verstehen muss der Mensch „Sprechlautstärke,
Sprechrhythmus, Sprechmelodie und Sprechgeschwindigkeit…hören und
beherrschen…Wichtigste Voraussetzung für eine „effiziente“ Prosodie ist
natürlich die Fähigkeit, diese kleinen Tonhöhenunterschiede in der
eigenen Sprache überhaupt wahrzunehmen…Erfreulicherweise lässt sich auch
diese Fähigkeit trainieren. Eine umfängliche Studie des Professor
Meyer von der…weist unter anderem beispielsweise nach, dass 67% der
getesteten Musiker, die ein Streichinstrument spielten, noch
Tonintervalle von 0,4% voneinander unterscheiden konnten…Diese Werte
hatten sie als Kinder gewiss noch nicht besessen, sondern erst durch
Übung erreicht.“ (ebenda)
Zu 5:
Synchrones Finger-Tapping
„Unter dem synchronen Finger Tapping verstehen wir die
Fähigkeit, zu einer Folge von raschen Links-Rechts-Klicks zeitgleich
abwechselnd mit den Fingern zu klopfen. Sie ist höchstwahrscheinlich ein
Maß effizienter Koordination der beiden Hirnhälften. In mehreren
Untersuchungen hat Prof. P.H. Wolff von der Universität Harvard an
Schülern unterschiedlichen Alters bestätigt gefunden, dass LRS Kinder im
Vergleich zu der Kontrollgruppe gutschreibender Kinder erheblich
größere Schwierigkeiten hatten, wirklich synchron zu eine regelmäßigen
Links-Rechts-Muster von Klicks im Kopfhörer mit den Fingern beider Hände
einen gleich bleibenden Klopfrhythmus aufrechtzuerhalten. Er führt dies
auf eine mangelhafte Koordination zwischen den beiden
Hirnhälften der LRS Kinder zurück“
„Ausgehend von diesen Ergebnissen begründete Wolff seine Vermutung,
dass die motorischen Defizite bei der Synchronisierung zwischen
linker und rechter Hand die Folge einer Störung der interhemisphärischen
Kooperation bei diesen Jungen mit Leseschwäche seien, ferner nahm
er an, dass auch die Leseprobleme dieser Kinder die Folge einer
Entwicklungsverzögerung der interhemisphärischen Kooperation seien.“
(ebenda)
Zu 6:
Wahl-Reaktionszeit
„Den Nachweis, dass bei derartigen Wahl-Reaktions-Aufgaben die
auditiv-motorischen Zeiten der LRS Kinder deutlich denen der
Kontrollgruppe unterlegen waren, verdanken wir wieder Professor Nicolson
und seinem Team.…Dieses letzte Ergebnis legt nahe, dass wenigstens
zwei Faktoren zu der Langsamkeit von LRS Kindern beiragen: Ein
allgemeines Defizit, das sich in einer langsameren Reizklassifizierung
zeigt, und ein linguistisches Defizit, das sich in einer langsameren
lexikalischen Zugriffsgeschwindigkeit zeigt.
Das bestätigt weiter die Auffassung, dass LRS Kinder
grundsätzlich ein breit angelegtes Automatisierungsdefizit aufweisen,
das sich um so gravierender auswirkt, je komplexer und in einander
vernetzt die Abfolge von Aufgaben wird, von denen jede Einzelne
automatisiert sein müsste.“(ebenda)
Zu 7a
„Der amerikanische Neurowissenschaftler Professor Frank E. Musiek hat
in längeren Versuchsreihen…herausgefunden, dass Probleme bei
Versuchspersonen, diese Aufgabe zu bewältigen, in engem Zusammenhang
mit deren sprachlicher Kompetenz standen.“ (ebenda)
Zu 7b
„Der oben erwähnte Neurowissenschaftler Musiek hat einen
weitere Test entwickelt, bei dem er seinen Versuchspersonen
rasche Folgen von jeweils drei aufeinander folgenden Tönen gleicher
Tonhöhe, aber unterschiedlicher Dauer vorspielte…Musiek fand heraus,
dass die Ergebnisse seiner zahlreichen Versuchspersonen auch bei diesem
Test wiederum in engem Zusammenhang mit deren sprachlicher Kompetenz
standen.“(ebenda)
Das Training besteht aber im Grunde aus verschiedenen Einheiten, beginnend bei
motorischen Übungen auf dem Wippbrett, sensorischen Übungen mit dem Brain Boy,
Merkfähigkeitsübungen, Lautierungsübungen, Silbenweises Lesen,
Blicksteuerungstraining, Arbeitsstrategie, und je nach und Neurofeedback,. Es bleibt immer am Einzelfall orientiert.
Schulgespräche, Elterntraining und emotionales Coaching sind selbstverständlich.
Merkfähigkeit wird ebenso trainiert wie hochtonveredelte Hören. Warnkes Lesetraining, bei dem Proband und Trainer synchron und über
Kopfhörer und Mikrofon verbunden lesen und ein klassisches
Rechtschreibtraining sowie ein Visualiserungstraining von Wörtern sind
Teil des Programms
Zur Ergänzung der Link zu meinem Text
Unser BLOG über Neurofeedback und Biofeedback beinhaltet alles, was der Anwender wissen sollte. Der BLOG wird ab jetzt wieder fortgesetzt. Ich freue mich über jeden Abonnenten.
Freitag, 7. August 2015
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